Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold
sagte der Bluttrinker voller Stolz. Ringsum herrschte Chaos. Seidene Draperien und wunderschöne Polster und Kissen lagen wirr übereinander. Er schob mehrere zusammen und baute so eine Art Nest für uns. Dann hängte er mir schwere Halsketten um und sagte: ›Das wird deine Opfer anlocken, sodass du sie nur noch zu packen brauchst.‹ Ich war wie trunken, aber auch ängstlich.
Er griff zu seinem Dolch, packte mich bei den Haaren und schnitt sie ab, so gut wie vollständig. Alles Vorhergegangene hatte ich ertragen, aber dies jetzt brachte mich zum Jammern. Ich hatte getötet. Ich hatte Blut getrunken, war halb wahnsinnig durch die Straßen gerannt. All das hatte mich nicht zum Heulen gebracht, aber dass er mir die Haare abschnitt, das war einfach zu viel.
Mein Weinen schien ihn nicht im Mindesten zu irritieren, doch unversehens hob er mich hoch und ließ mich in eine große Truhe auf ein hartes Bett aus kostbarem Schmuck fallen, dann schloss er den Deckel über mir. Woher sollte ich wissen, dass gerade die Sonne aufging? Wieder dachte ich, nun müsste ich sterben; erschöpft fiel ich in einen tiefen Schlaf.
Als ich die Augen wieder öffnete, war er da, lächelte, und mit schroffer Stimme erklärte er mir in einfachen Worten, dass wir tagsüber vor der Sonne verborgen schlafen müssten. Das liege in unserer Natur begründet. Und dass wir viel, viel Blut trinken müssten. Blut sei das einzig Wichtige für uns.
Für dich vielleicht, dachte ich, aber ich wagte nicht, mit ihm darüber zu streiten.
Meine Haare waren nachgewachsen, wie es von da an jeden Tag geschehen sollte, und er schnitt sie mir abermals mit dem Messer ab. Damit dies etwas einfacher ging, besorgte er zu meiner Erleichterung eine teure Schere; langes Haar duldete er nicht an mir, gleich, was wir vorhatten.
Wir lebten mehrere Jahre zusammen. Er war nie lieb oder freundlich, aber auch nicht grausam. Und er ließ mich nie aus den Augen. Als ich ihn fragte, ob ich nicht bessere Kleider bekommen könnte, stimmte er zu, obwohl es für ihn offensichtlich nicht von großer Bedeutung war. Er selbst trug eine lange Tunika und einen Umhang und wechselte sie nur, wenn sie verschlissen waren. Neue Kleider stahl er stets von einem seiner Opfer. Oft tätschelte er mir zwar den Kopf, Worte der Zuneigung jedoch waren ihm fremd, und er hatte überhaupt keine Vorstellungskraft. Als ich einmal Bücher vom Markt mitbrachte und Gedichte daraus las, lachte er mich aus, wenn man das tonlose Geräusch, das er von sich gab, Lachen nennen kann. Ich las ihm die Gedichte trotzdem vor, und nach seinem anfänglichen Lachen starrte er mich die meiste Zeit nur an.
Ein- oder zweimal fragte ich ihn, wie er zum Bluttrinker geworden war, und er sagte, ein übler Bluttrinker aus dem Oberen Ägypten habe das gemacht. ›Das sind alles Lügner, diese ganz Alten‹, sagte er, ›ich nenne sie die Bluttrinker des Tempels.‹ Und damit war seine ganze Geschichte schon beendet. Wenn ich mich ihm widersetzte, schlug er mich, nicht sehr fest, aber doch fest genug, um mir jede Aufmüpfigkeit zu verleiden. Als ich versuchte, ein wenig Ordnung in unseren Haushalt zu bringen, starrte er mich nur verständnislos an. Ich legte einige babylonische Teppiche aus und stellte entlang einer Wand eine Reihe Marmorstatuen auf, wo sie recht respektabel wirkten. Und ich räumte Hof und Garten auf.
In jener Zeit hörte ich andere Bluttrinker durch Alexandria streifen. Ich sah sie sogar, aber sie kamen nie sehr nahe heran. Als ich ihm davon erzählte, zuckte er nur mit den Schultern und sagte, ich solle mir deswegen keine Sorgen machen. ›Ich bin zu stark für die‹, sagte er, ›und außerdem wollen sie selbst keinen Ärger. Ihnen ist klar, dass ich zu viel über sie weiß.‹ Damit war das Thema für ihn beendet, und er fügte nur noch hinzu, dass es ein Segen für mich sei, von ihm, der so alt war, Das Blut empfangen zu haben.
Ich weiß nicht, wieso ich in dieser Zeit so vergnügt war. Vielleicht, weil ich die unterschiedlichen Stadtviertel Alexandrias kennen lernte, wenn wir dort jagten, oder wegen der vielen neuen Bücher, die ich las, oder auch, weil ich im Meer schwimmen konnte. Wir beide gingen öfter zum Strand. Ich weiß nicht, ob ihr euch vorstellen könnt, was das Meer mir bedeutete – dass ich darin baden, am Strand entlangwandern konnte. Eine im Haus eingeschlossene griechische Hausfrau hätte dieses Privileg nie genossen. Und ich war ein Bluttrinker. Ich war ein Junge. Ich jagte sogar im
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