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Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold

Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold

Titel: Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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dunklen Brauen zogen sich nachdenklich zusammen.
    »Immer segensreich?«, wiederholte sie meine Worte. »Ich bin mir da nicht sicher.«
    »Willst du nicht weitererzählen? Was geschah, nachdem du von Akasha getrunken hattest? Nachdem dein ›Schöpfer‹ seiner Wege ging?« Ich sprach leise und sanft. »Bliebst du danach noch im Tempel?«
    Die Frage schien ihr die nötige Zeit zur Sammlung zu geben.
    »Nein, ich blieb nicht«, sagte sie. »Obwohl die Priester mich zu überreden versuchten und mir vom Dienst an Der Mutter erzählten. Sie erklärten, dass Die Mutter unvergänglich wäre, außer durch Feuer und Sonnenlicht, und sollte sie dem je ausgesetzt werden, dann würden wir alle verbrennen. Einer unter ihnen betonte diese Warnung noch einmal nachdrücklich, als ob er die Aussicht darauf verlockend fände.«
    »Ah, der Älteste, der es schließlich zu beweisen suchte.«
    »Ja«, stimmte sie zu, »aber für mich war er keiner der Ältesten, und ich beachtete seine Worte nicht.
    Ich ging fort, meines ›Schöpfers‹ ledig, und da er mir sein Haus und seine Schätze gelassen hatte, entschloss ich mich, mein Leben zu ändern. Natürlich kamen die Priester des Tempels noch häufig und setzten mir zu – dass ich mich lästerlich benähme und rücksichtslos –, aber da sie nicht mehr unternahmen, kümmerte ich mich nicht darum.
    Ich konnte leicht als Mensch durchgehen, vor allem, wenn ich meine Haut mit bestimmten Ölen einrieb.« Sie seufzte. »Und ich war daran gewöhnt, dass man mich für einen jungen Mann hielt. Es war also ganz einfach für mich, ein vornehmes Haus zu kaufen, gute Kleidung anzuschaffen und innerhalb weniger Nächte Armut gegen Reichtum zu tauschen. Ich ließ in den Schulen und Märkten verkünden, dass ich mich als Briefschreiber und Kopist von Büchern zur Verfügung stellte, und zwar bei Nacht, wenn die anderen dieses Berufes schon Feierabend gemacht und sich heimbegeben hatten. Und nachdem ich in meinem Haus einen großen, gut beleuchteten Raum als Arbeitszimmer eingerichtet hatte, bot ich meine Dienste den Sterblichen an. Auf diese Weise lernte ich sie besser kennen, außerdem erfuhr ich so, was die Gelehrten tagsüber vortrugen.
    Wie sehr es mich schmerzte, dass ich nicht selbst den großen Philosophen lauschen konnte! Aber mit meiner nächtlichen Beschäftigung war ich sehr zufrieden, und was ich wollte, hatte ich bekommen: Warme menschliche Stimmen sprachen zu mir. Ich freundete mich mit Sterblichen an. Und häufig war mein Haus mit Gästen gefüllt.
    Von Studenten, Dichtern und Soldaten lernte ich nun, wie es in der Welt zugeht. In den frühesten Morgenstunden schlüpfte ich in Alexandrias große Bibliothek. Die hättest du besuchen müssen, Marius! Eine Schatzkammer aus Büchern! Dass du sie übergangen hast, wundert mich.«
    Sie machte eine Pause. Ihre Miene war erschreckend ausdruckslos, aber ich wusste, dass in ihr heftige Gefühle bebten. Sie schaute keinen von uns an.
    »Ja, ich verstehe das«, sagte ich, »ich verstehe es nur zu gut. Ich habe das gleiche Bedürfnis nach menschlichen Stimmen, danach, dass Menschen mich anlächeln, als gehörte ich zu ihnen.«
    »Ich weiß, wie einsam du bist«, sagte sie mit einer gewissen Härte in der Stimme. Und zum ersten Mal hatte ich das Gefühl, dass der wechselnde Ausdruck auf ihrem Gesicht ebenfalls von Härte zeugte, dass ihr Gesicht nur eine schöne Maske für die darunter verborgene verstörte Seele war, von der mir ihre Worte nur wenig offenbarten.
    »Ich lebte lange in Alexandria und fühlte mich dort wohl«, sagte sie. »Gab es denn eine schönere Stadt? Und wie viele Bluttrinker glaubte auch ich, dass allein das Wissen mir über die Jahrzehnte hinweghelfen, dass nur Wissen mir die Verzweiflung fern halten könnte.«
    Ihre Worte beeindruckten mich sehr, aber ich sagte nichts dazu. »Ich hätte in Alexandria bleiben sollen«, fuhr sie leise und mit Bedauern in der Stimme fort, während sie ins Nichts starrte. »In mir wuchs die Liebe zu einem Sterblichen, einem jungen Mann, der mich anbetete. Eines Nachts gestand er mir seine Liebe, gestand mir, dass er alles für mich aufgeben würde – seine bevorstehende Heirat, seine Familie, alles –, wenn ich nur mit ihm fortgehen würde, nach Ephesus, von wo seine Familie stammte und wohin er wieder zurückwollte.«
    Sie brach ab, als wäre ihr die Last der Erinnerung zu schwer. Schließlich fuhr sie fort, fügte die Worte bedächtig aneinander.
    »Wie sehr er mich liebte! Und die ganze Zeit

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