Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold
hatte keine Ahnung, wer siegen würde. Abermals versuchte ich meine ganze Kraft zu bündeln und gegen Eudoxia zu wenden, und abermals sah ich, dass sie schwächer wurde, fühlte es sogar, und doch flammte mir wieder diese Hitze entgegen, verpuffte jedoch wirkungslos. Ich schleuderte die Frau auf den Marmorboden, und über sie gebeugt sammelte ich mit höchster Willensanstrengung meine Kraft und richtete sie auf Eudoxia. Sie lag auf dem Marmor und wand sich mit geschlossenen Augen und zitternden Händen. Meine Kraft hielt sie dort unten wie festgenagelt und hinderte sie am Aufstehen. Schließlich lag sie still. Sie atmete schwer, dann öffnete sie die Augen und sah zu mir auf.
Aus den Augenwinkeln sah ich Asphar und Raschid ihr zu Hilfe eilen. Beide schwangen große, glänzende Schwerter. Verzweifelt sah ich mich nach einer der Öllampen um, in der Hoffnung, einem von ihnen das brennende Öl entgegenschleudern zu können, doch mein zornerfüllter Geist nahm mit ganzer Kraft vorweg, was ich dachte: Oh, wenn ich dich doch verbrennen könnte! Und Raschid erstarrte und ging schreiend in Flammen auf.
Ich sah es, von Entsetzen gepackt. Ich wusste, ich hatte das getan. Und alle anderen im Raum wussten es auch. Für den Bruchteil einer Sekunde sah man das Skelett des Jungen in den Flammen, dann schrumpfte es zusammen, die Flammen tanzten und hüpften auf dem Marmorboden.
Mir blieb keine Wahl, ich wandte mich Asphar zu. Aber Eudoxia schrie auf: »Genug!« Sie versuchte angestrengt, auf die Füße zu kommen, doch vergebens. Ich ergriff ihre Hände und zog sie hoch. Mit gesenktem Kopf schob sie sich rückwärts von mir fort und wandte sich zu den kläglichen Überresten Raschids um.
»Du hast jemanden vernichtet, der mir viel bedeutete«, sagte sie mit bebender Stimme. »Und du wusstest nicht einmal, dass du die Gabe des Feuers besitzt!«
»Und du hattest vor, meinen lieben Avicus zu töten«, schleuderte ich ihr entgegen, »und mich dazu!« Ich betrachtete sie seufzend. »Du hast mir keine Wahl gelassen. Du hast mich gerade gelehrt, was ich tun kann!« Ich bebte vor Erschöpfung und Wut. »Wir hätten hier alle einträchtig leben können!«
Ich schaute zu Asphar hinüber, der sich nicht näher heranwagte. Ich sah Eudoxia an, die schwach und kraftlos auf ihrem Stuhl saß.
»Ich werde jetzt gehen und meine beiden Gefährten mitnehmen«, erklärte ich. »Wenn du uns etwas anzutun versuchst, werde ich dir meine ganze Kraft entgegenschleudern. Und wie du schon sagtest – ich weiß nicht einmal selbst, wie groß die ist.«
»Du drohst, weil du Angst hast«, sagte sie müde. »Und du schuldest mir ein Leben, du wirst so nicht fortgehen! Du hast Raschid verbrannt. Gib mir Avicus dafür. Jetzt und freiwillig!«
»Nein, auf keinen Fall«, erwiderte ich kalt. Ich spürte, wie sich die Kraft in mir zusammenballte. Ich sah Asphar zornig an. Das arme Vampirkind zitterte vor Angst.
Eudoxia saß mürrisch, noch immer mit gesenktem Kopf, auf ihrem Stuhl.
»Viel haben wir hier verloren, Eudoxia«, sagte ich. »Wir hätten die Schätze unseres Geistes miteinander teilen können.«
»Lass die süßen Reden, Marius«, sagte sie wütend, mit blutigen Tränen in den Augen. »Du fürchtest mich immer noch. Bring mich zu Der Mutter und Dem Vater, lass Die Mutter entscheiden, wer sie hüten soll – du oder ich.« Meine Antwort kam umgehend.
»Ich will dich unter meinem Dach nicht sehen, Eudoxia. Aber ich werde die Angelegenheit Den Eltern vortragen. Und wenn sie zu mir gesprochen haben, werde ich mit dir sprechen.« Ich wandte mich Asphar zu.
»Führe uns nun hinaus«, sagte ich, »oder du brennst, wie dein Gefährte brannte.«
Er gehorchte ohne Zögern. Als er uns eilig bis zur Straße gebracht hatte, flohen wir.
11
W ir flohen. Anders kann man es nicht beschreiben. Wir hatten entsetzliche Angst, und wir flohen. Sobald wir unser Haus erreicht hatten, legten wir die schwersten Läden vor sämtliche Türen und Fenster. Aber was konnte das gegen Kräfte ausrichten, wie Eudoxia sie besaß?
Wir setzten uns im Innenhof zusammen und vergegenwärtigten uns erst einmal unsere Situation. Wir mussten herausfinden, welche Fähigkeiten wir hatten. Wir mussten erfahren, welche Gaben die Zeit und Das Blut uns geschenkt hatten. Innerhalb weniger Stunden hatten wir die Antwort. Avicus und ich konnten problemlos Gegenstände bewegen, ohne sie zu berühren. Wir konnten sie durch die Luft fliegen lassen. Die Gabe des Feuers allerdings
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