Chronik des Cthulhu-Mythos I (German Edition)
auf dem Boden des betreffenden Raumes entsetzliche Veränderungen vor sich. Man sollte sich die Beschreibung ersparen, wie und in welchem Umfang das Ding vor den Augen von Dr. Armitage und Professor Rice schrumpfte und sich auflöste, aber so viel sei gesagt, dass abgesehen von der äußeren Erscheinung des Gesichts und der Hände das menschliche Element in Wilbur Whateley äußerst gering gewesen sein muss. Als der Gerichtsmediziner kam, befand sich nur noch eine klebrige weiße Masse auf den gestrichenen Dielen, und der ungeheuerliche Geruch war fast verschwunden. Allem Anschein nach hatte Whateley weder einen Schädel noch ein Skelett besessen, jedenfalls nicht in einem greifbaren und beständigen Sinne. Er war mehr nach seinem unbekannten Vater geraten.
VII
Doch all dies war nur der Auftakt zu dem wirklichen Grauen von Dunwich. Verstörte Beamte erledigten die Formalitäten, abnorme Einzelheiten wurden wohlweislich der Presse und der Öffentlichkeit vorenthalten, und man sandte Männer nach Dunwich und Aylesbury, um die Besitzverhältnisse zu überprüfen und etwaige Erben des verstorbenen Wilbur Whateley zu benachrichtigen. Sie fanden den Landkreis in großer Aufregung vor, nicht nur wegen des zunehmenden Rumorens in den kuppelförmigen Bergen, sondern auch wegen des ungewöhnlichen Gestanks und der rauschenden, wogenden Geräusche, die in zunehmendem Maße aus der großen leeren Hülle drangen, die das vernagelte Bauernhaus der Whateleys im Grunde darstellte. Earl Sawyer, der sich während Wilburs Abwesenheit um das Pferd und die Rinder gekümmert hatte, war bedauerlicherweise an einem akuten Nervenleiden erkrankt. Die Beamten suchten nach Ausreden, um das widerliche verrammelte Haus nicht betreten zu müssen, und waren froh darüber, ihre Untersuchung auf einen Besuch der Wohnräume des Verstorbenen in dem vor Kurzem reparierten Schuppen beschränken zu können. Sie lieferten dem Kreisgericht von Aylesbury einen umständlichen Bericht ab. Die Rechtsstreitigkeiten wegen der Erbschaft sollen zwischen den zahllosen degenerierten und undegenerierten Whateleys des oberen Miskatonic-Tales noch immer fortdauern.
Ein fast endloses Manuskript, niedergeschrieben in sonderbaren Schriftzeichen in einem großen Buch, hielt man aufgrund der Abstände zwischen den Textblöcken und der Unterschiede in der Handschrift und den verschiedenfarbigen Tinten, die verwendet wurden, für eine Art Tagebuch. Es gab denen, die es auf dem alten Sekretär gefunden hatten, ein verwirrendes Rätsel auf. Nachdem man eine Woche darüber gegrübelt hatte, schickte man es mitsamt den seltsamen Büchern des Verstorbenen an die Miskatonic-Universität, um es dort untersuchen und möglicherweise übersetzen zu lassen. Jedoch mussten selbst die besten Linguisten bald erkennen, dass dieses Rätsel wohl nicht ohne Weiteres zu lösen sei. Von dem alten Gold, mit dem Wilbur und der alte Whateley stets ihre Schulden zu begleichen pflegten, fehlt bis heute jede Spur.
In der Nacht vom 9. auf den 10. September brach das Grauen los. Die Geräusche in den Bergen waren am Abend sehr deutlich zu hören gewesen, und die Hunde hatten die ganze Nacht hindurch wütend gebellt. Frühaufsteher bemerkten am Morgen des 10. einen eigenartigen Gestank in der Luft. Gegen 7.00 Uhr kam Luther Brown, der Stallbursche von George Coreys Hof, hektisch von der Ten-Acre-Weide herbeigerannt, wo er wie gewöhnlich die Kühe zu hüten hatte. Er war völlig außer sich vor Angst, als er in die Küche stürzte, und draußen auf dem Hof stampfte und brüllte erbärmlich die nicht weniger verängstigte Herde, die dem Jungen in Panik gefolgt war. Keuchend und stammelnd versuchte Luther, Mrs. Corey seine Geschichte zu erzählen.
»Da oben auffer Straße hinterm Tal, Mrs. Corey – da war was! Riecht wie der Donner, un die ganzen Büsch un kleinen Bäum sin vonner Straße weggedrückt, als wär da ’n Haus drauf gefahren. Un das is nich ma das Schlimmste, ne! Da sin Spuren auffer Straße, Mrs. Corey – große runde Spuren, die sin so groß wie ’n Fass, ganz tief eingesunken, als wär da ’n Elefant lang, nur sin da viel mehr von, als vier Füße machen könn’! Ich hab mir ein, zwei von angesehn, ehe ich gerannt bin, un ich hab gesehn, dass se alle mit Linien bedeckt sin, die alle von ’ner Stell ausgehn tun, wie die Fächer von ’nem großen Palmblatt – nur zwei- oder dreimal so groß halt –, die sin in die Straß gedrückt wor’n. Un der Geruch war furchtbar, so wie
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