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Chronik des Cthulhu-Mythos I (German Edition)

Chronik des Cthulhu-Mythos I (German Edition)

Titel: Chronik des Cthulhu-Mythos I (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. P. Lovecraft
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in einem weiten Überwurf und einer tief gezogenen Schutenhaube mit dem Rücken zu mir saß und trotz des Festtags stumm die Spindel schnurren ließ. Eine undefinierbare Feuchtigkeit schien im Hause zu herrschen und ich wunderte mich, dass im Kamin kein Feuer brannte. Die hochlehnige Zimmerbank stand gegenüber der Reihe verhängter Fenster zur Linken und sie schien besetzt zu sein, doch sicher war ich mir dessen nicht. Mir gefiel nicht alles, was ich um mich herum sah, und wieder beschlich mich die Angst. Sie wurde durch eben das verstärkt, was sie zuvor gemildert hatte, denn je länger ich das freundliche Gesicht des alten Mannes betrachtete, desto mehr versetzte gerade diese Freundlichkeit mich in Schrecken. Die Augen bewegten sich nicht und die Haut war allzu wächsern. Schließlich glaubte ich fest, dass es überhaupt kein Gesicht war, sondern eine teuflisch schlaue Maske. Doch die schlaffen, seltsam behandschuhten Hände schrieben freundlich auf die Wachstafel und ließen mich wissen, dass ich mich eine Zeit lang gedulden müsse, ehe ich zum Festplatz geführt werden könne.
    Indem er auf einen Stuhl, einen Tisch und einen Stapel Bücher deutete, verließ der alte Mann jetzt das Zimmer; und als ich mich zum Lesen niedersetzte, sah ich, dass die Bücher von Alter grau und schimmlig waren und dass sich unter ihnen des alten Morryster gewagte Marvells of Science befanden, das schreckliche Saducismus Triumphatus von Joseph Glanvil, veröffentlicht 1681, die schockierende Daemonolatreia des Remigius, gedruckt 1595 zu Lyon, und, schlimmer noch, das unnennbare Necronomicon des wahnsinnigen Arabers Abdul Alhazred in Olaus Wormius’ verbotener lateinischer Übersetzung; ein Werk, das ich nie zuvor gesehen hatte, über das jedoch monströse Dinge geflüstert wurden.
    Niemand redete mit mir, doch drang von draußen das Knarren von Schildern im Wind an mein Ohr und das Schnurren des Spinnrades, während die alte Frau mit der Haube wortlos weiterspann und spann. Ich fand das Zimmer und die Bücher und die Leute höchst morbide und beunruhigend, doch weil eine alte Überlieferung meiner Vorväter mich zu sonderbaren Festlichkeiten gerufen hatte, fügte ich mich der Erwartung wundersamer Dinge. Ich versuchte zu lesen und fand mich bald furchtvoll von etwas in den Bann gezogen, auf das ich in jenem fluchwürdigen Necronomicon stieß, ein Gedanke und eine Legende, zu grässlich für einen gesunden Verstand oder das Bewusstsein; und es wollte mir nicht behagen, als ich zu hören glaubte, dass eines der Fenster geschlossen wurde, die der Sitzbank gegenüberlagen, so als sei es zuvor heimlich geöffnet worden. Dem Anschein nach war dem Geräusch ein Schwirren vorausgegangen, das nicht vom Spinnrad der alten Frau herrührte. Dies musste jedoch nicht viel bedeuten, denn die Alte spann überaus emsig und soeben hatte die alte Pendeluhr geschlagen.
    Nun verließ mich das Gefühl, dass Leute auf der Bank saßen, und schaudernd vertiefte ich mich in meine Lektüre, als der alte Mann zurückkehrte, in Stiefeln und in ein weites altmodisches Gewand gekleidet, und auf der Sitzbank Platz nahm, sodass ich ihn nicht mehr zu sehen vermochte. Es folgte eine fraglos nervenzerrende Warterei, und das blasphemische Buch in meinen Händen verschlimmerte es noch. Als jedoch die elfte Stunde schlug, stand der alte Mann auf, glitt zu einer wuchtigen beschnitzten Truhe in einer Ecke und entnahm ihr zwei Kapuzenumhänge; in einen schlüpfte er selbst, den anderen legte er der alten Frau um, die ihr monotones Spinnen eingestellt hatte. Dann gingen beide zur Haustür; die alte Frau lahm dahinschlurfend und der alte Mann eben jenes Buch ergreifend, worin ich gelesen hatte. Er winkte mir, ihnen zu folgen, und streifte die Kapuze über seine reglose Miene oder Maske.
    Wir traten hinaus in das mondlose und verschlungene Gassennetz jener unvorstellbar alten Stadt; traten hinaus, als die Lichter hinter den verhängten Fenstern eins nach dem andern erloschen und der Hundsstern auf das Gewühl der kuttenumwallten, kapuzenverhüllten Gestalten herabglotzte, die lautlos aus jedem Hauseingang strömten und in ungeheuren Prozessionen Straße um Straße hinaufzogen, vorbei an den knarrenden Schildern und vorsintflutlichen Giebeln, den strohgedeckten Dächern und rautenförmigen Fensterscheiben; sie schlängelten sich durch steile Gassen, wo baufällige Häuser aneinanderlehnten und ineinandersanken, glitten über offene Plätze und Kirchhöfe, und die schwankenden

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