Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Chronik des Cthulhu-Mythos I (German Edition)

Chronik des Cthulhu-Mythos I (German Edition)

Titel: Chronik des Cthulhu-Mythos I (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. P. Lovecraft
Vom Netzwerk:
Häuser im Kolonialstil auf dem alten Hügel mit ihrer Stuckfront protzte. Im Schatten des schönsten georgianischen Kirchturms Amerikas fand ich Wilcox bei der Arbeit in seinem Zimmer. Sogleich erkannte ich an den im Raum verstreuten Werken, dass sein Genie tatsächlich bedeutsam und authentisch ist. Er wird, so glaube ich, in einiger Zeit als einer der großen décadents bekannt werden, denn in seinen Werken aus Ton – und eines Tages wohl auch aus Marmor – spiegeln sich kristallen jene Nachtmahre und Fantasien, die Arthur Machens Prosa beschwört und Clark Ashton Smith in Vers und Bild sichtbar macht.
    Dunkelhaarig, zerbrechlich und irgendwie ungepflegt anzusehen, wandte er sich bei meinem Anklopfen träge um und fragte mich nach meinem Anliegen, ohne sich zu erheben. Als ich ihm dann erzählte, wer ich bin, zeigte er ein gewisses Interesse, denn mein Onkel hatte durch die Untersuchung seiner merkwürdigen Träume seine Neugier erregt, ohne je den Grund für diese Studien zu erklären. Ich vergrößerte sein Wissen in dieser Hinsicht nicht, sondern versuchte ihn mit einiger Spitzfindigkeit aus der Reserve zu locken.
    Nach kurzer Zeit war ich von seiner vollkommenen Aufrichtigkeit überzeugt, denn er sprach in einer Weise von den Träumen, die man nicht missdeuten konnte. Diese Träume und ihr Rückhall in seinem Unterbewusstsein hatten seine Kunst stark beeinflusst, und er zeigte mir ein morbides Standbild, dessen Umrisse mich aufgrund der Macht ihrer schwarzen Andeutungen fast erbeben ließen. Er konnte sich nicht daran erinnern, das Vorbild für dieses Ding, außer auf seinem eigenen Traumrelief, irgendwo gesehen zu haben, aber die Umrisse hätten sich unmerklich unter seinen Händen von selbst geformt. Es war dies zweifelsohne die gigantische Gestalt, von der er im Delirium fantasiert hatte. Dass er wirklich nichts von dem verborgenen Kult wusste, außer dem, was meines Onkels schonungslose Fragen hervorgelockt hatten, wurde bald deutlich; und wieder suchte ich in Gedanken nach einer Möglichkeit, wie er denn die unheimlichen Eindrücke erhalten haben könne.
    Er sprach von seinen Träumen auf sonderbar poetische Weise; er schilderte mit schrecklicher Lebendigkeit die feuchte zyklopische Stadt aus schleimig grünem Gestein – deren Geometrie, wie er seltsamerweise sagte, völlig falsch sei – und ich vernahm mit ängstlicher Erwartung das unaufhörliche halbgeistige Rufen aus dem Untergrund: » Cthulhu fhtagn, Cthulhu fhtagn .«
    Diese Worte waren Teil jenes schrecklichen Rituals, das von der Traumwacht des toten Cthulhu in seiner Steingruft in R’lyeh erzählt, und ungeachtet meiner rationalen Auffassung war ich zutiefst bewegt. Wilcox, so war ich mir sicher, hatte von dem Kult auf beiläufige Weise gehört und ihn bald wieder unter der Menge seiner gleichermaßen sonderbaren Lektüre und Fantasie vergessen. Später hatte dieses Wissen aufgrund seiner schieren Eindrücklichkeit in Träumen, im Flachrelief und der schrecklichen Statue, die ich nun anblickte, unterschwelligen Ausdruck gefunden. Er hatte also meinen Onkel völlig unschuldig getäuscht. Der junge Mann war von einer Art, die ich nicht besonders mag, zugleich ein wenig affektiert und etwas arrogant; doch ich war durchaus bereit, ihm sowohl Genie als auch Aufrichtigkeit zuzugestehen. Ich verabschiedete mich freundlich von ihm und wünschte ihm all den Erfolg, den seine Begabung versprach.
    Die Sache mit dem Kult faszinierte mich noch immer, und zuweilen überkamen mich Visionen, dass ich als Erster seinen Ursprung und seine Verbindungen erforschen würde und zu Ruhm gelangte. Ich reiste nach New Orleans, sprach mit Legrasse und anderen aus seiner damaligen Mannschaft, sah das fürchterliche Abbild und befragte sogar einige der gefangenen Mischlinge, die noch am Leben waren. Der alte Castro war unglücklicherweise schon vor einigen Jahren verstorben. Was ich nun so anschaulich aus erster Hand hörte, erregte mich von Neuem, wenngleich es in Wirklichkeit nicht mehr als eine detaillierte Bestätigung dessen war, was mein Onkel aufgeschrieben hatte; ich war mir sicher, einer sehr wirklichen, sehr geheimen und sehr alten Religion auf der Spur zu sein, deren Entdeckung mich zu einem Anthropologen hohen Ranges machen würde. Meine Haltung war noch immer völlig materialistisch geprägt – wie ich mir wünsche, dass sie es heute noch sei –, und mit fast unerklärlicher Halsstarrigkeit schenkte ich der Übereinstimmung zwischen den von Professor

Weitere Kostenlose Bücher