Chronik des Cthulhu-Mythos II (German Edition)
starken Willen der Frau. Das ewige Kind hatte seine Abhängigkeit von den Eltern auf ein neues und stärkeres Bild übertragen und dagegen konnte nichts unternommen werden.
Die Hochzeit fand einen Monat später statt – auf Wunsch der Braut durch einen Friedensrichter. Mr. Derby erhob keine Einwände, dazu hatte ich ihm geraten. Er, meine Frau, mein Sohn und ich wohnten der kurzen Zeremonie bei – die restlichen Gästen waren ungehobelte junge Leute von der Universität. Asenath hatte das alte Crowninshield-Haus am Ende der High Street draußen vor der Stadt erworben, und sie wollten sich dort niederlassen, sobald sie von einer kurzen Reise nach Innsmouth zurückgekehrt waren, von wo sie drei Dienstboten sowie einige Bücher und Mobiliar mitbringen wollten. Es war vermutlich weniger aus Rücksicht auf Edward und seinen Vater als vielmehr ihr eigener Wunsch, in der Nähe der Universität, ihrer Bibliothek und der Gruppe der ›Intellektuellen‹ zu sein, dass Asenath sich in Arkham niederließ, anstatt auf Dauer heimzukehren.
Als mich Edward nach seinen Flitterwochen besuchte, hatte ich den Eindruck, dass er sich ein wenig verändert hatte. Asenath hatte ihn dazu bewogen, den kümmerlichen Schnurrbart zu entfernen, doch es war mehr als das. Er wirkte nüchterner und besonnener, sein gewohnt kindlich-trotziges Aussehen war einem Blick fast aufrichtiger Traurigkeit gewichen. Ich fragte mich, ob mir diese Veränderung nun gefiel oder nicht. Zweifellos schien er im Augenblick mehr ein normaler Erwachsener zu sein als je zuvor. Vielleicht war diese Ehe ja doch eine gute Sache – bildete vielleicht der Wechsel in der Abhängigkeit die Basis einer wirklichen Neutralisierung, die doch noch zu verantwortungsbewusster Unabhängigkeit führte? Er besuchte mich allein, weil Asenath sehr beschäftigt war. Sie hatte in Innsmouth (als er den Namen aussprach, erschauderte Derby) viele Bücher und Geräte gekauft und kümmerte sich um die Instandsetzung des Crowninshield-Hauses und des Gartens.
Ihr Elternhaus – in dieser Stadt – sei recht abstoßend gewesen, doch einige der Gegenstände darin hätten ihn überraschende Dinge gelehrt. Er mache nun unter Asenaths Führung rasche Fortschritte in den esoterischen Lehren. Sie habe einige Experimente vorgeschlagen, die sehr wagemutig und radikal gewesen seien – er fühlte sich nicht dazu ermächtigt, diese zu beschreiben –, doch er vertraue auf Asenaths Fähigkeiten und ihre Absichten. Die drei Dienstboten seien sehr eigenartig – neben einem unglaublich alten Ehepaar, das schon dem alten Ephraim gedient hatte und gelegentlich rätselhafte Anspielungen auf seine und Asenaths verstorbene Mutter mache, gab es noch ein dunkelhäutiges Mädchen, dessen Gesicht deutliche Missbildungen aufweise und das offenbar einen beständigen Fischgeruch verströme.
III
In den nächsten zwei Jahren sah ich Derby immer seltener. Hin und wieder gingen vierzehn Tage ins Land, ohne dass an der Haustür sein vertrautes Klopfen zu hören war; und sah er doch vorbei – oder, wenn ich ihn besuchte, was immer seltener geschah –, verspürte er nur sehr wenig Neigung, sich über anregende Themen zu unterhalten. Er war mittlerweile sehr verschwiegen hinsichtlich jener okkulten Studien, die er früher so genau beschrieben und besprochen hatte, und über seine Frau verlor er kein Wort. Sie war seit der Hochzeit erstaunlich gealtert, sodass sie nun – sonderbar genug – von beiden die Ältere zu sein schien. Ihr Gesicht trug jetzt einen Ausdruck beherrschter Entschlossenheit, wie ich ihn so stark noch nie zuvor gesehen hatte, und ihr gesamtes Wesen schien auf unerklärliche Weise immer widerwärtiger zu werden. Meine Frau und mein Sohn bemerkten das ebenso wie ich, und wir stellten nach und nach unsere Besuche ein – wofür Asenath, wie Edward einmal in seiner naiven Taktlosigkeit bekannte, ausgesprochen dankbar war. Gelegentlich gingen die Derbys auf lange Reisen – angeblich nach Europa, doch Edward deutete manchmal obskurere Ziele an.
Als sie ein Jahr verheiratet waren, begann das Gerede über die Veränderung von Edward Derby. Es war nur sehr beiläufiges Gerede, denn seine Veränderung war rein psychischer Natur, doch es beleuchtete einige interessante Fakten. Man schien Edward dann und wann mit einem ihm fremden Gesichtsausdruck beobachtet zu haben und wie er Dinge tat, die seiner lethargischen Art eigentlich widersprachen. So konnte er früher keinen Wagen fahren, doch nun wurde er
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