Chroniken der Dunkelheit - 02 - Kristallschwert
Fritha zusammengestoßen wäre, fing leise zu schimpfen an, doch dann sah sie Frithas Gesicht und verstummte. Reglos standen sie da und lauschten – und dann hörte Adrian sie auch.
Stimmen – verschiedene Stimmen, die sich aufgeregt flüsternd unterhielten.
Sie kamen von weiter unten, Adrian hätte nicht sagen können, wie weit. Cathbar, der wie erstarrt hinter ihm stand, beugte sich zu ihm vor.
»Sieh durch ihre Augen«, flüsterte er an seinem Ohr. »Sag mir, wie viele es sind und was für Waffen sie haben.«
Adrian nickte und schickte seinen Blick zu den Stimmen aus.
Er fand sie nur zwanzig Schritte unterhalb des Weges in einem natürlichen Unterschlupf zwischen einigen großen Felsblöcken. Drei Männer sah er – nein, vier. Sie hatten sich an die Felsen gelehnt und warteten darauf, dass ihr Anführer das Kommando zum Losschlagen gab. Alle hatten lange Messer im Gürtel stecken. Der Mann, dessen Augen Adrian benützte, sah auf die Scheide an seiner Hüfte hinunter und Adrian spürte seine grausame Befriedigung beim Anblick des schönen, aus Bronze gearbeiteten Schwertgriffs und auch die Lust, die er beim Töten des Vorbesitzers empfunden hatte.
»Fünf«, murmelte Adrian. »Bewaffnet mit Messern und einem Schwert.«
Cathbar nickte, doch Adrian verweilte noch einen Augenblick bei den Wegelagerern. Er wechselte auf ein anderes Augenpaar und spürte Hunger, Ungeduld und Angriffslust. Dann kehrte er wieder zum Anführer zurück. Der Anführer war nicht ungeduldig, nur gespannt und konzentriert. Was führte er im Schilde? Im nächsten Moment hatte Adrian die Antwort. Der Mann wollte nicht kämpfen – er wollte die Reisenden im Schlaf überfallen.
Adrian kehrte zu seinen eigenen Augen zurück und starrte den Pfad vor ihnen entlang. Er führte noch etwa fünfzig Schritte weiter, eine gekrümmte, kaum sichtbare Felsrinne, dann schien diese zu enden und die Felswände stiegen wieder steil an. Der Mond glänzte auf senkrechten Platten und schroffen Kanten. Die Felsen bei Nacht hinaufzuklettern, schien Irrsinn. Doch kurz vor dem Anstieg der Felsen sah es so aus, als würde der Pfad sich verbreitern.
Adrian packte Elsa am Arm und deutete aufgeregt auf die Stelle. »Sie denken, dass wir dort Pause machen«, flüsterte er kaum hörbar. »Und dann wollen sie uns überfallen. Aber wenn wir nicht anhalten …«
Elsa nickte kurz und gab die Worte flüsternd an Fritha weiter. Fritha ging sofort wieder los. Sie bewegte sich rasch und dabei vollkommen lautlos. Hoffentlich konnten sie genauso schnell den lebensgefährlichen Steilhang vor ihnen hinaufklettern, dachte Adrian. Wenn sie da oben waren, bevor die nithingar merkten, dass ihre Opfer nicht angehalten hatten … Vielleicht riskierten die Männer den Aufstieg ja nicht im Dunkeln oder Fritha wusste eine sichere Stufe im Fels, von der aus sie die Männer bekämpfen konnten. In der schwarzen Felswand vor ihnen war freilich keinerlei Stufe zu erkennen.
Er ging weiter und versuchte nicht an die Messer der Wegelagerer unter ihnen oder die Möglichkeit eines Absturzes zu denken. Du darfst kein Geräusch machen, ermahnte er sich und setzte die Füße so leise wie irgend möglich auf. Das Hämmern seines Herzens konnte er freilich nicht dämpfen. Es dröhnte ihm in den Ohren.
Sie waren wieder auf der Flucht.
10. KAPITEL
Im Jahr zuvor, sagte Ioneth, hätten drei Fremde Erlingr besucht.
Sie hätten von einem Schwert berichtet, das in den südlichen Königreichen geschmiedet würde und imstande sei, Loki zu töten. Seine Klinge vereine in sich die Härte des Steins, die Schärfe des Metalls und die Kraft des Holzes zur Selbstheilung. Wenn das Schwert in den Norden gebracht werde, müsse es etwas vom Eisvolk in das Metall seiner Klinge aufnehmen. Die Fremden forderten Erlingr auf, jemanden zu finden, der bereit sei, sein Leben für das Schwert zu opfern.
Erlingr schickte sie fort, doch Ioneth musste unablässig daran denken, dass sie die Gesuchte sein könnte. Sie eilte den Fremden nach und fragte, was sie tun müsse.
Zu Beginn ihrer Kletterpartie hatte Adrian gewünscht, es wäre noch Tag, doch jetzt war er über die Dunkelheit froh. Auf dem Weg zum Ende des Pfades hatte er das Gefühl gehabt, dass alle ihn sehen konnten, und als sie zu den Felsen kamen und klettern mussten, verstärkte sich dieses Gefühl noch. Der Aufstieg war fast so schlimm, wie er befürchtet hatte. In dem schwachen Mondlicht konnte er zwar die Umrisse der Felsen erkennen, nicht aber kleinere
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