Chroniken der Jägerin 3
zerschrammt und so zerschunden, als hätte man ihn in einem Krieg als Schutzschild benutzt.
Wir drei waren allein. Über unseren Köpfen hörte ich Wasser tropfen. Dann einen Schlag, dem Kettenrasseln folgte.
Grant fragte: »Ist das wirklich notwendig?«
Killy nahm eine Flasche Wasser vom Tresen. »Er hatte eine schlechte Nacht.«
»Was meinst du mit schlecht ?«
»Er trägt noch immer sein Fell, und ich glaube, dass er eine Katze gefressen hat.« Sie ging auf die Schwingtüren zu, die zur Küche führten. »Komm mit. Er wird froh sein, dich zu sehen.«
»Wir sind nicht zu Besuch hier«, sagte ich, »wir haben Probleme.«
»Du hast doch immer Probleme«, schoss Killy zurück. »Du bist ein Wrack – und hast auch mein Leben ruiniert.«
»Ich habe dir schließlich diese Bar gekauft.«
»Und ich habe meine alte Bar geliebt. In China .« Sie fuhr sich mit den Knöcheln durch das Gesicht. »Ich habe Monate gebraucht, um meinen Verstand wieder zusammenzukriegen, nach allem, was man mir angetan hat. Monate, um nachts wieder schlafen zu können, ohne dabei jeden verdammten Gedanken der ganzen Nachbarschaft zu hören. Und dann marschierst du hier rein und willst Hilfe, und das, obwohl du doch ganz genau weißt, dass du das einzige Lebewesen bist, dessen Gedanken ich nicht lesen kann.«
Ich knirschte mit den Zähnen. »Du bist nun mal die einzige Gedankenleserin, die ich kenne.«
»Ja und?« Killy griff hinter den Tresen und brachte einen kleinen Flachmann zum Vorschein. »Ich habe meine eigenen Sorgen, und die drehen sich nicht um den Werwolf da oben, der einen Gewissenskonflikt hat, nur weil er es nicht über sich bringt, sein Priesteramt niederzulegen.« Sie trank einen Riesenschluck aus dem Flachmann, hustete und wischte sich dann den Mund mit ihrem Handrücken ab. »Ich mochte diese Katze wirklich gern.«
Grant sah etwas zu theatralisch nach unten. »Mein Beileid.«
Killy zeigte ihm den Mittelfinger. »Du bist auch nicht besser als Maxine. Nur eine andere Art von Albtraum. Eigentlich sollte ich gar nicht mehr mit dir reden.« Sie drehte sich um und hielt mir genau denselben Finger vors Gesicht. »Du bist doch nur hier, weil Jack tot ist und du dich nicht erinnern kannst, was tatsächlich passiert ist. Und du bist hier, weil
du nicht mehr weißt, wer Grant ist. Das ist schon komisch, zumal ihr zwei doch so zuckersüß miteinander umgeht, dass mir davon fast schlecht wird.« Sie nahm einen weiteren Riesenschluck, bekam einen heftigen Hustenanfall und fuhr fort: »Ich kann das, was dir passiert ist, nicht rückgängig machen. Der einzige Grund, weshalb ich überhaupt weiß, dass etwas geschehen ist, ist der, dass ich seine Gedanken lesen kann.« Sie zeigte auf Grant und sah ihn dabei böse an. »Und was dich angeht …«
Dann schloss sie ihren Mund jedoch, bevor sie den Satz beenden konnte, machte auf dem Absatz kehrt und ging zügig auf eine Schwingtür zu, die von Hunderten von Nägeln eingerahmt war, die man in die Wand gehämmert hatte. Jeder Nagel saß punktgenau mitten auf der Stirn eines Kopfes, der aus einem Foto ausgeschnitten worden war. Auf den meisten Fotos waren Privatpersonen abgebildet, aber es waren auch ein paar Prominente dabei. Eine Art Voodoo-Wand. Killy bewahrte den Hammer und die Nägel hinter dem Tresen auf. Jeder Nagel kostete einen Dollar und wurde nur dann verkauft, wenn der Käufer garantiert absolut nüchtern war.
Wir durchquerten die Küche und gingen über eine schmale Treppe in den zweiten Stock hinauf, der abgeschlossen war. Der Vanilleduft hinter der Tür wurde stärker, und ich hörte ein dunkles Raunen, das in ein böses Knurren überging. Ketten rasselten. Ich dachte an Jack, an seine aufgeschnittene Kehle und blieb stehen.
»Das ist doch Zeitverschwendung«, sagte ich. »Es tut mir wirklich leid um Vater Lawrence, aber wenn du mir nicht helfen kannst, mich wieder zu erinnern, dann muss ich eben einen anderen Weg finden, um an die Informationen zu kommen, die ich brauche.«
Killy warf mir einen stechenden Blick zu. »Und zu wem willst du gehen, Maxine? Sag mir mal, wen hast du denn noch?«
Ich erwiderte nichts. Gerade fühlte ich etwas Heißes in meinem Rücken. Es war Grants Hand, die mich berührte. Ich war nicht sicher, ob er mich beschützen oder beruhigen wollte, aber es ärgerte mich.
Killy flüsterte: »Wenn du jetzt gehst, wirst du gar nichts herausfinden. Wenn du bleibst, kannst du wenigstens dafür sorgen, dass es einem leidenden Mann besser geht. Jack ist
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