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Chroniken der Jägerin 3

Chroniken der Jägerin 3

Titel: Chroniken der Jägerin 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Liu
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warten konnte.
    »Mary«, sagte ich, »wo ist Byron?«

    Überall war Polizei. Ich hatte schon geahnt, dass sie nach Grant suchen würden, so wie ich ja auch geahnt hatte, dass er der Besitzer dieses Grundstücks war. Aber er blieb an meiner Seite, während wir uns in den Keller aufmachten. Nachdem Mary ein paar von meinen Sachen angezogen hatte, kam sie mit uns. An ihr sahen Hosen und lange Ärmel irgendwie komisch aus. Ich sorgte dafür, dass sie die Schlachtermesser in der Küche ließ.
    Niemand sah uns. Ein kurzer Blick aus dem Fenster zeigte, dass die Polizei noch immer jeden von dem Gebäude fernhielt, aber ich hörte jetzt solche Worte wie Brandstiftung und Gefährdung der Bausubstanz durch die verrauchten Flure hallen.
    Der Keller roch nicht nach Rauch, die Luft war kalt und klamm. Vor vielen Jahren, lange vor seinem Umbau zum Obdachlosenheim, war das Lagerhaus Teil einer Möbelfabrik gewesen, und einige der alten Maschinen lagerten immer noch in den dunklen Untergeschossen: gewaltige eiserne Kolosse, deren Verwendungszweck ich nicht verstand, obwohl die Jungs ab und zu mal hier hierherkamen, um darauf herumzuklettern. Eine nette Abwechslung, wenn man auf der Jagd nach Ratten war. Während einer ihrer letzten Ausflüge hierher hatten sie Safarihüte getragen und Macheten mitgenommen. Die
sie dann später zusammen mit den Ratten aufgefressen hatten.
    Es gab nur wenige Lampen im Keller, und keine von ihnen war eingeschaltet. Ich ließ es so. Ich konnte das Licht aus Marys Zimmer sehen, das unter der geschlossenen Tür hervorschien. Es bildete einen Streifen quer über den Betonboden, auf dem unsere Schritte, gepaart mit Grants Gehstock, laut hallten. Außer uns hörte ich niemanden. Mary fing an zu summen: Oh, What A Beautiful Morning . Dann drehte sie sich wie eine Ballerina auf ihren Zehenspitzen.
    Ich war schon wochenlang nicht mehr in Marys Zimmer gewesen, aber es hatte sich kaum etwas verändert. Endlose Reihen von Regalbrettern, auf denen flache, mit Erde gefüllte Holzschalen standen, in denen jede Menge junge Marihuanapflanzen wuchsen, die von hellem Infrarotlicht bestrahlt wurden. Als ich das letzte Mal hier unten war, ließ ich die Jungs all ihre Pflanzen und die komplette Ausstattung fressen. Dies konnten also unmöglich dieselben sein. Aber nun standen wir hier, und die Pflanzen waren auch da. Ich konnte nur hoffen, dass die Polizei nicht herunterkäme, um jemanden zu suchen.
    Byron ruhte auf einer Liege in der Ecke und war mit einer dünnen Decke und etwa fünfzig bunten Wollknäueln zugedeckt. Neben ihm saß ein Zombie mit einer Waffe in der Hand.
    Rex. Eine Sekunde lang wusste ich nicht, wer er war, aber dann kam meine Erinnerung zurück. Während die anderen den Raum betraten, blieb ich an der Tür stehen, um die lodernde Aura dieses alten Parasiten zu untersuchen. Es war ganz schön lange her, dass ich ein so altes Exemplar gesehen hatte, den Typen in Killys Bar heute Morgen eingeschlossen.
    Die dunkle Wolke seiner Aura schwebte über einem gereizten braunen Gesicht, das von Falten und anderen Zeichen von
Alter und Stress gezeichnet war. Rex’ Wirtskörper hatte wohl ein hartes Leben geführt, bevor er von ihm in Besitz genommen wurde.
    Und doch erklärte das noch nicht, warum ich die Anwesenheit eines Dämonenparasiten tolerierte. Oder warum es mir so normal vorkam, so als würde ich gut und richtig handeln.
    Bekehrung. Dieses Wort füllte meinen Kopf aus. Bekehrung.
    Ich sah Grant scharf an. Dämonen. Grant kann sie verwandeln. Verändern, was sie sind.
    Ich schloss meine Augen und war froh, dass ich den Türrahmen hatte, um mich daran anzulehnen. Ich suchte nach Erinnerungen an Rex und all die anderen Zombies, die das Coop bevölkerten. Männer und Frauen, die besessen waren, die kamen und gingen, oft jedoch auch blieben. Sie fühlten sich in meiner Gegenwart zwar unbehaglich, waren aber bereit, dieses Risiko einzugehen. Denn sie waren … sie waren …
    Eben Bekehrte. Die sich selbst zerstört hatten, um etwas Neues zu werden. Sie ernährten sich, aber nicht vom Schmerz anderer, sondern …
    Ich öffnete meine Augen. Rex starrte mich an. Grant auch, aber in seinen Augen war nur Mitgefühl zu lesen.
    Ich konnte mich nicht daran erinnern, wann mich das letzte Mal jemand so verständnisvoll angesehen hatte, so als wäre es okay, als wäre ich okay: wer ich war, was ich tat, es war okay .
    Es hätte mich eigentlich schon aus purem Widerspruchsgeist ärgern müssen. Es hätte mir doch Angst

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