Chroniken der Jägerin 3
damit verbringen, wieder zum Farmhaus zurückzukehren. Deshalb klopfte ich mir mit der rechten Faust auf die Brust und schlüpfte in die Leere.
Nur einen kurzen Augenblick später fand ich mich am Grab meiner Mutter wieder. Grant war da und saß im Gras. Sein Gesicht konnte ich nicht sehen, nur den Rücken. Seine Kleidung wirkte irgendwie durcheinander, aber sonst schien niemand in der Nähe zu sein. Der Himmel war klar und sternenübersät, und die Eichenblätter raschelten in der leichten Brise. Im Haus brannte Licht. Zee und die anderen hockten zusammen und schauten aufs Grab.
Grant sang ganz leise. Ich erkannte die Melodie nicht, aber sie stieg und fiel mit dem Wind und schien ein Licht wie Sternschnuppen zu versprühen, wenn ich meine Augen schloss, um ihm zu lauschen.
Rohw und Aaz umarmten seine ausgestreckten Beine und schmiegten ihre Wangen an seine Knie. Er beugte sich nach vorn und streichelte ihre Köpfe.
Ich sah mir das an und beobachtete ihn. Stellte mir vor, noch immer die Frau zu sein, die ich gestern gewesen war, bevor all
das Blut und der Schmerz und all diese furchtbaren Wahrheiten … ich erinnerte mich an Kuchen, Gelächter und brennende Kerzen.
Ein bisschen wacklig war ich auf den Beinen, als ich zu Grant hinüberging. Vorsichtig setzte ich mich neben ihn ins Gras. Schließlich sah er mich an, hörte zu singen auf und ließ den letzten Ton noch in der Luft hängen. Lange sahen wir uns nur so an. Ich suchte in seinem Gesicht Anzeichen von Furcht, aber die einzigen Hinweise auf Stress waren die tiefen Falten auf seiner Stirn und um den Mund herum, was seinem Aussehen etwas Grimmiges verlieh.
»Ich hatte schon ein bisschen Angst, dass du nicht zurückkommen würdest«, gab er zu.
»Ich hätte es auch nicht tun sollen.« Meine Finger gruben sich in die Jeans. »Ich hoffe doch, dass du nicht die ganze Zeit hier draußen warst.«
Dazu sagte er nichts, lehnte sich nur zu mir, legte seine Hand auf meinen Nacken und küsste mich. Es hätte unangenehm sein können. Sein Mund landete nicht genau dort, wo er sollte, aber seine Lippen fanden meine, und es fühlte sich so normal an, seinen Kuss zu erwidern, so warm, als käme ich aus einer verschneiten Nacht in ein warm erleuchtetes Zuhause zurück.
Grant rückte ein wenig von mir ab und atmete genauso schwer wie ich. Ich wollte sprechen, konnte aber nicht. Keine Worte. Keine Stimme.
»Du kannst dich nicht mehr erinnern, oder?«, sagte er. »An mich … wie ich dich geküsst habe.«
Ich fuhr mit meinen Lippen über seine Mundwinkel und genoss seinen Duft: Zimt und Sonnenlicht, und alles war so warm. Ich sah zu seinen Händen hinunter. Kräftige Hände mit
langen, schlanken Fingern. Ich wollte seine Hände halten und umfangen, seine Handgelenke berühren und auch die Arme. Ich wollte mich an seine Brust lehnen und sein Atmen hören. Ich erinnerte mich an all diese Dinge, aber sie schienen so fern und neu … als wäre es tausend Jahre her und käme aus einem anderen Leben.
Mein Mund zuckte. »Woran ich mich nicht erinnern kann, ist, wie mich dieser erste Kuss in deinem Treppenhaus davon überzeugen konnte, bei dir zu bleiben.«
Er warf mir einen prüfenden Blick zu. »Wirklich? Dass du dich daran nicht erinnern kannst!«
»Überhaupt nicht«, sagte ich. »Und ich kann mich auch gar nicht an das gefährliche Duett erinnern, das wir auf deinem Klavier geplant hatten …«
»Eine Sonate«, unterbrach er mich.
»… oder diesen magischen Satz von dir …«
»Ich will dich in mein Bett mitnehmen.« Seine Stimme war leise und angespannt, und von meinem Herzen abwärts toste ein Schmerz durch meinen Körper, als er mir so unglaublich zärtlich einen Kuss gab, den ich bis in die Zehenspitzen spüren konnte.
Obwohl er dabei kaum meine Lippen berührte.
»Du erinnerst dich also«, sagte er, seinen Mund auf meinem.
»An manches, ja.« Ich schloss meine Augen, streichelte mit meinen Lippen seinen Kiefer und strich ihm mit den Fingern langsam den starken, schlanken Hals hinunter. »Mehr und mehr.«
Er zog mich auf seinen Schoß und vergrub sein Gesicht in der Beuge meines Nackens. Seine Arme waren unglaublich stark, aber Schauder rollten durch seinen Körper, und manchmal atmete er etwas schwer.
Lange, lange hielt er mich so, sprach kein Wort und sagte doch alles.
Im Farmhaus war es still. Die Botin sah ich nicht, aber Jack saß in der Küche am Tisch und starrte auf den Blutfleck am Boden. Mir stockte der Atem, als ich das bemerkte – und
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