Chroniken der Schattenjäger 2 - Clockwork Prince
schlimmer noch, furchtbar gekränkt. Doch dann erklärte diese schließlich: »Es hat tatsächlich einmal eine Zeit gegeben, in der ich ... den jungen Herrn Jem sehr geschätzt habe. Er war so sanft und gütig - ganz anders als die Männer, die ich bis dahin kannte. Und er sieht gut aus und die Musik, die er spielt ...« Sophie schüttelte den Kopf und ihre dunklen Locken wippten dabei. »Aber ich habe ihm nie etwas bedeutet. Weder mit Worten noch mit Gesten hat er mir je zu verstehen gegeben, dass er meine Bewunderung erwidern würde, obwohl er natürlich keine Sekunde lang unfreundlich war.«
»Sophie«, setzte Tessa leise an. »Seit meiner Ankunft hier im Institut bist du für mich immer mehr gewesen als nur ein Dienstmädchen. Du warst mir immer eine Freundin. Ich möchte auf keinen Fall irgendetwas tun, das deine Gefühle verletzen könnte.«
Langsam schaute Sophie auf. »Liegt Ihnen etwas an ihm?«
»Ich glaube schon«, erklärte Tessa verhalten.
»Gut.« Sophie atmete auf. »Er verdient es ... glücklich zu sein, meine ich. Der junge Herr Will war schon immer der heller leuchtende Stern, der alle Aufmerksamkeit auf sich zieht, aber Jem ist wie eine beständige Flamme, unerschütterlich und aufrecht. Er könnte Sie glücklich machen.«
»Und du hättest nichts dagegen?«
»Dagegen?« Sophie schüttelte den Kopf. »Ach, Miss Tessa, es ist wirklich nett von Ihnen, sich darum Sorgen zu machen, was ich denke. Aber ich hätte ganz gewiss nichts dagegen. Die Zuneigung, die ich für ihn empfunden habe - und etwas anderes als mädchenhafte Schwärmerei ist es eigentlich nie gewesen -, hat sich in Freundschaft verwandelt. Ich wünsche mir nichts anderes, als dass er und Sie glücklich werden.«
Tessa war sprachlos. Die vielen Gedanken, die sie sich wegen Sophies Gefühlen gemacht hatte ... und nun stellte sich heraus, dass das Mädchen überhaupt keinen Anstoß nahm. Irgendetwas hatte sich seit jener fatalen Nacht nach dem Spaziergang auf der Blackfriars Bridge - als Sophie Tränen über Jems Zustand vergossen hatte - entschieden verändert. Aber was ? Es sei denn ... »Triffst du dich mit jemandem? Ich meine mit einem Mann? Cyril oder ...«
Sophie rollte mit den Augen. »Oh, Herr im Himmel hab Gnade! Zuerst Thomas und nun Cyril. Wann werden Sie endlich aufhören, mich mit dem erstbesten Mann verkuppeln zu wollen?«
»Aber es muss doch irgendjemanden geben ...«
»Es gibt niemanden«, erwiderte Sophie bestimmt, erhob sich und drehte Tessa zum Spiegel. »So, fertig. Wenn Sie jetzt noch Ihre Haare zu einem Knoten drehen und unter Ihren Hut stecken, sind Sie das Musterbeispiel eines Gentleman.«
Tessa nickte und folgte ihren Anweisungen.
Als Tessa die Bibliothek betrat, saß die kleine Gruppe der Institutsschattenjäger - Jem, Will, Henry und Charlotte - bereits in ihren Kampfmonturen um den großen Tisch versammelt.
Henry zeigte aufgeregt auf ein kleines, rechteckiges Gerät aus Messing, das auf dem Tisch lag, und verkündete mit erhobener Stimme: » Daran habe ich die ganze Zeit gearbeitet. Für genau diese Situation. Das Gerät ist speziell als Waffe gegen Klockwerk-Attentäter konstruiert.«
»So langweilig Nate Gray auch sein mag«, warf Will ein, »sein Kopf besteht nicht aus Zahnrädern und Getrieben, Henry. Er ist ein Mensch.«
»Aber möglicherweise bringt er eine dieser Kreaturen zum Treffpunkt mit. Schließlich wissen wir nicht, ob er dort ohne Begleitung aufkreuzt. Und im Zweifelsfall hilft es gegen Mortmains Klockwerk-Kutscher ...«
»Ich denke, Henry hat recht«, sagte Tessa, woraufhin sich alle Anwesenden zu ihr umdrehten. Jem errötete erneut, allerdings nicht mehr ganz so heftig wie kurz zuvor, und schenkte ihr ein schiefes Lächeln.
Dagegen ließ Will seinen Blick in aller Ruhe über Tessas Körper wandern, von Kopf bis Fuß, und konstatierte dann: »Du siehst überhaupt nicht wie ein Mann aus. Du siehst aus wie ein Mädchen in Männerkleidung.«
Tessa vermochte nicht zu sagen, ob er das anerkennend, missbilligend oder einfach nur sachlich meinte. »Ich versuche auch gar nicht, irgendjemandem etwas vorzumachen - ich muss nur auf den ersten Blick, für einen zufälligen Passanten, wie ein Mann aussehen«, entgegnete sie verärgert. »Nate weiß schließlich, dass Jessamine ein Mädchen ist. Und die Kleidung wird wesentlich besser passen, sobald ich mich in sie verwandelt habe.«
»Vermutlich solltest du das sofort tun«, schlug Will vor.
Wütend funkelte Tessa ihn an, schloss dann aber
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