Chroniken der Schattenjäger 2 - Clockwork Prince
Gedanken an derartig schöne und geschmackvolle Accessoires verschwenden. Doch dann konzentrierte Tessa sich wieder auf Sophie: »Es war falsch von mir, dir gegenüber auf diese Weise von Gideon zu sprechen. Ich habe meine Nase in Angelegenheiten gesteckt, die mich absolut nichts angehen, und du hattest vollkommen recht, Sophie: Man darf einen Mann nicht nach den Sünden seiner Familie beurteilen. Außerdem hätte ich dir noch sagen müssen ... obwohl ich Gideon an jenem Abend auf dem Ball gesehen habe, kann ich nicht behaupten, dass er sich an den Feierlichkeiten beteiligt hätte. Genau genommen kann ich nicht in seinen Kopf hineinschauen, um festzustellen, was er denkt, und ich hätte mich nicht so verhalten dürfen, als wäre ich dazu in der Lage. Ich besitze keineswegs mehr Erfahrung als du, Sophie, und in Bezug auf Gentlemen bin ich vollkommen unwissend. Deshalb möchte ich mich dafür entschuldigen, dass ich mich so überheblich benommen habe. Es wird nicht wieder Vorkommen ... wenn du mir nur verzeihst.«
Sophie ging zum Kleiderschrank, hinter dessen Tür ein zweites Kostüm hing - aus dunkelblauem Taft, mit goldenen Samtlitzen und eingearbeiteten Volants aus heller Ripsseide. »So hübsch«, sagte sie ein wenig wehmütig und strich mit der Hand leicht über das Gewebe. Dann wandte sie sich Tessa zu. »Das ... das war eine sehr nette Entschuldigung, Miss, und ich verzeihe Ihnen. Ehrlich gesagt, habe ich Ihnen schon im Salon verziehen, als Sie für mich gelogen haben. Normalerweise halte ich nichts von Lügen, aber ich weiß, dass Sie es nur gut gemeint haben.«
»Das war sehr tapfer ... das, was du getan hast«, erwiderte Tessa. »Ich meine damit, Charlotte die Wahrheit zu sagen. Ich weiß, wie sehr du dich davor gefürchtet hast, sie könnte wütend werden.«
Sophie lächelte traurig. »Sie ist nicht wütend. Sie ist enttäuscht. Ich weiß es einfach. Sie meinte, sie könne im Moment nicht mit mir reden, aber sie würde das später nachholen. Und ich konnte es an ihrem Gesicht erkennen. Irgendwie ist das schlimmer als jede Wut.«
»Ach, Sophie. Charlotte ist von Will ständig enttäuscht!«
»Naja, wer ist das nicht?!«
»So habe ich das nicht gemeint. Ich meinte vielmehr, dass Charlotte dich liebt, auf dieselbe Weise wie Will oder Jem oder ... nun ja, du verstehst schon. Selbst wenn sie von dir enttäuscht sein sollte, musst du aufhören, dir Sorgen darüber zu machen, dass sie dich entlassen könnte. Denn das wird sie nicht. Sie hält dich nämlich für wunderbar, und das tue ich auch.«
Sophie riss verwundert die Augen auf. »Miss Tessa!«
»Ja, das tue ich wirklich«, sagte Tessa rebellisch. »Du bist mutig und selbstlos und liebenswert. Genau wie Charlotte.«
Sophies Augen schimmerten feucht und sie wischte sie hastig mit dem Zipfel ihrer Schürze. »So, jetzt ist es aber genug«, sagte sie forsch, musste jedoch noch ein paar Mal hinter den tränenfeuchten Wimpern blinzeln. »Es wird Zeit, dass wir Sie ankleiden und ausgehbereit machen, bevor Cyril die Kutsche vorfährt, denn ich weiß, dass Mrs Branwell keine Zeit vergeuden möchte.«
Gehorsam trat Tessa vor und schlüpfte mit Sophies Hilfe in das creme-grau gestreifte Kostüm.
»Und seien Sie bitte vorsichtig - das ist alles, was ich dazu zu sagen habe«, mahnte Sophie, während sie geschickt den Stiefelknöpfer schwang. »Der alte Mr Lightwood ist ein unangenehmer Bursche, vergessen Sie das nicht. Und er ist streng: Er nimmt die beiden Jungs sehr hart ran.«
Die beiden Jungs. Sophies Worte klangen, als würde sie nicht nur für Gideon, sondern auch für Gabriel Sympathie empfinden. Tessa fragte sich, was Gideon wohl von seinem jüngeren Bruder und seiner Schwester halten mochte. Doch sie hakte nicht nach, während Sophie ihr die Haare kämmte und zu Locken legte und ihre Schläfen mit Lavendelwasser betupfte.
»So, nun schauen Sie sich einmal im Spiegel an, Miss. Finden Sie nicht auch, dass Sie ganz zauberhaft aussehen?«, sagte Sophie stolz, als sie ihr Werk vollendet hatte.
Und Tessa musste sich eingestehen, dass Charlotte ganze Arbeit geleistet und exakt den richtigen Schnitt für sie ausgewählt hatte - er schmeichelte ihrer Figur ganz hervorragend, genau wie der Grauton des Kostüms. Dadurch wirkten ihre Augen größer und blauer, ihre Taille und ihre Arme schlanker und ihr Busen voller.
»Da wäre nur noch eines ...«, setzte das Dienstmädchen an.
»Was denn, Sophie?«
»Der junge Herr Jem«, sagte Sophie, woraufhin Tessa
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