Chroniken der Unterwelt Bd. 2 City of Ashes
meinst du mit ›im Großen und Ganzen‹?«
»Er hat sich mit einem Rudel Werwölfe angelegt und dabei ein paar Kratzer und blaue Flecke abgekriegt.«
Clary schloss halb die Augen. Warum, warum nur hatte Jace Streit mit einem ganzen Rudel Werwölfe angefangen? Was um alles in der Welt hatte ihn geritten? Andererseits: Sie redeten hier von Jace. Der würde es sogar mit einem Dreißigtonner aufnehmen, wenn ihm danach war.
»Ich denke, du solltest besser herkommen«, sagte Luke. »Irgendjemand muss ihn zur Vernunft bringen und ich hab nicht besonders viel Glück mit ihm.«
»Wo seid ihr denn jetzt?«, fragte Clary.
Luke erklärte ihr den Weg. Eine Bar namens Blutmond in der Hester Street … Clary fragte sich, ob sie wohl durch einen Zauberglanz kaschiert war. Sie klappte ihr Handy zu und wandte sich an Simon, der sie mit hochgezogenen Augenbrauen musterte.
»Der verlorene Sohn ist zurückgekehrt?«
»Ja, so ähnlich.« Clary rappelte sich auf und streckte die müden Beine, während sie überlegte, wie lange sie wohl brauchen würden, um mit der U-Bahn nach Chinatown zu kommen. Oder ob es sich lohnte, das Taschengeld, das sie von Luke bekommen hatte, für ein Taxi auszugeben. Vermutlich nicht: Falls sie im Stau feststeckten, würden sie länger brauchen als mit der U-Bahn.
»… mit dir mitkommen?«, beendete Simon seine Frage und richtete sich auf. Er stand eine Stufe unter ihr, wodurch sie fast gleich groß waren. »Was hältst du davon?«
Clary öffnete den Mund und schloss ihn dann wieder. »Äh …«
»Du hast kein Wort von dem gehört, was ich in den letzten zwei Minuten gesagt habe, oder?« Simon klang resigniert.
»Nein«, gestand sie. »Ich hab an Jace gedacht. Es klang so, als wäre er in einem ziemlich schlechten Zustand. Entschuldige.«
Simons braune Augen wurden noch dunkler. »Ich nehme an, du stürzt jetzt sofort los, um ihm die Wunden zu verbinden?«
»Luke hat mich gebeten, nach Chinatown zu kommen«, sagte sie. »Ich hatte gehofft, du würdest mitkommen.«
Simon trat mit dem Schuh gegen die Stufe, auf der Clary stand. »Ja, das kann ich machen. Aber wozu eigentlich? Kann Luke Jace denn nicht ohne deine Hilfe zum Institut zurückbringen?«
»Vermutlich schon. Aber er denkt, Jace wäre eventuell bereit, zuerst mal mit mir zu reden … darüber, was überhaupt los ist.«
»Ich hatte gedacht, wir könnten heute Abend vielleicht was zusammen machen«, sagte Simon. »Irgendwas Nettes. Ins Kino gehen. Oder zum Essen.«
Clary sah ihn an. In der Ferne hörte sie das Wasser in einem der Springbrunnen plätschern und dachte an die Küche in Simons Haus, an seine feuchten Hände in ihren Haaren. Aber das alles schien sehr weit weg, auch wenn sie sich das Bild vor Augen rufen konnte – so wie man sich an ein Foto von einem bestimmten Ereignis erinnert, ohne sich das Ereignis selbst ins Gedächtnis zurückrufen zu können.
»Er ist mein Bruder«, sagte sie. »Ich muss zu ihm.«
Simon sah aus, als wäre er sogar zum Seufzen zu müde. »Dann komme ich mit.«
Freaky Petes Büro lag am Ende eines engen Gangs, der mit Sägespänen übersät war. An manchen Stellen war das Sägemehl von Fußspuren aufgewirbelt und mit einer dunklen Flüssigkeit gesprenkelt, die nicht wie Bier aussah. Die gesamte Bar roch verqualmt und muffig und ein wenig nach … nach feuchtem Hund, musste Clary sich eingestehen, auch wenn sie das Luke gegenüber niemals erwähnt hätte.
»Er ist nicht gerade bester Laune«, sagte Luke und blieb vor einer verschlossenen Tür stehen. »Ich hab ihn in Freaky Petes Büro eingesperrt, nachdem er mit bloßen Händen die Hälfte meines Rudels fast umgebracht hätte. Mit mir will er nicht reden, daher …«, Luke zuckte die Achseln, »… hab ich an dich gedacht.« Er schaute von Clarys verblüfftem Gesicht zu Simon. »Was ist?«
»Ich kann einfach nicht glauben, dass er hierhergekommen ist«, sagte Clary.
»Und ich kann nicht glauben, dass du jemanden namens Freaky Pete kennst«, fügte Simon hinzu.
»Ach, ich kenne eine Menge Menschen«, erwiderte Luke. »Nicht, dass Freaky Pete streng genommen ein Mensch wäre, aber ich hab ja wohl schlecht reden.«
Er entriegelte die Tür und stieß sie weit auf. Dahinter befand sich ein schlichter, fensterloser Raum, dessen Wände mit Sportwimpeln geschmückt waren. Auf einem Tisch, der mit Papieren und Unterlagen übersät war, stand ein kleiner Fernseher und dahinter – in einem Bürostuhl, dessen Leder so brüchig war, dass es an
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