Chroniken der Unterwelt Bd. 2 City of Ashes
Aufzug erreichten, der wie ein vergoldeter Vogelkäfig heruntergezuckelt kam, um sie nach oben zu bringen. »Das muss Maryses Idee gewesen sein«, sagte er, als sie den Aufzug betraten. »Hundertprozentig ihr Geschmack.«
»Den gibt’s hier schon, solange ich mich erinnern kann«, erklärte Jace und zog die Tür hinter ihnen zu.
Während der kurzen Fahrt sprach keiner ein Wort. Clary spielte nervös mit den Fransen ihres Schals. Sie hatte ein schlechtes Gewissen, weil sie Simon gebeten hatte, nach Hause zu fahren und dort auf ihren Anruf zu warten. Als er die Canal Street entlangmarschiert war, hatte sie an seinen hochgezogenen Schultern erkannt, dass er sich wie ein verärgerter kleiner Junge fühlte, den man nach Hause schickt. Trotzdem konnte Clary sich die Anwesenheit eines Irdischen im Institut nicht vorstellen – nicht zu einem Zeitpunkt, wo Luke bei Maryse Lightwood ein gutes Wort für Jace einlegen wollte; es hätte die ganze Situation nur noch unangenehmer gemacht.
Der Aufzug kam mit einem Ruck zum Stehen. Als sie ausstiegen, wurden sie bereits von Church erwartet, der sie in der Eingangshalle empfing, eine leicht zerfranste rote Schleife um den Hals. Jace beugte sich hinab, um den Kater am Kopf zu kraulen. »Wo ist Maryse?«
Church erzeugte ein tiefes Geräusch in seiner Kehle, eine Mischung aus Schnurren und Knurren, und sprintete den Korridor entlang. Sie folgten dem Kater, Jace schweigend, während Luke sich neugierig umsah. »Ich hätte nie gedacht, dass ich mal das Innere dieses Gebäudes zu sehen bekomme.«
»Und ist es so, wie du es dir vorgestellt hast?«, fragte Clary.
»Ich kenne die Institute in London und Paris und dieses hier ist ihnen nicht unähnlich. Aber es wirkt irgendwie …«
»Irgendwie was? «, drehte Jace sich um, der ein paar Schritte vorgegangen war.
»Irgendwie kälter«, sagte Luke.
Jace schwieg. Inzwischen hatten sie die Bibliothek erreicht. Church legte sich auf den Boden, als wollte er andeuten, dass er keinen Schritt weiterzugehen gedenke. Durch die dicke Holztür drangen gedämpft mehrere Stimmen, doch Jace machte sich nicht die Mühe anzuklopfen, sondern stieß die Tür einfach auf und marschierte hinein.
Clary hörte, wie jemand überrascht auffuhr. Einen kurzen Moment zog sich ihr Herz zusammen, als sie an Hodge dachte, der praktisch in der Bibliothek gelebt hatte. Hodge, mit seiner rauen Stimme, und Hugin, der Rabe, der sein ständiger Begleiter gewesen war – und der ihr auf Hodges Befehl hin fast die Augen ausgekratzt hatte.
Aber natürlich war es nicht Hodge. Hinter dem riesigen Mahagonischreibtisch, der auf den Rücken zweier kniender Engel ruhte, saß eine Frau mittleren Alters, mit Isabelles rabenschwarzen Haaren und Alecs dünnem, hagerem Körperbau. Sie trug einen schlichten schwarzen Anzug, der einen krassen Kontrast zu den zahlreichen leuchtend bunten Ringen an ihren Fingern bildete.
Hinter ihr stand noch eine Gestalt: ein schlanker, feingliedriger Teenager mit dunklen Locken und honigfarbener Haut. Als er sich zu ihnen umdrehte, quietschte Clary überrascht auf: »Raphael?«
Einen Moment lang wirkte der Junge bestürzt, doch dann lächelte er und entblößte seine strahlend weißen und scharfen Zähne – was nicht weiter verwunderlich war, da es sich bei ihm um einen Vampir handelte. »Dios« , sagte er zu Jace gewandt. »Was ist denn mit dir passiert? Du siehst aus, als wäre ein Rudel Wölfe über dich hergefallen.«
»Das ist entweder verdammt gut geraten«, erwiderte Jace, »oder du hast von dem Vorfall gehört.«
Raphaels Lächeln verwandelte sich in ein Grinsen. »Mir ist das ein oder andere zu Ohren gekommen.«
Im nächsten Moment erhob sich die Frau hinter dem Tisch von ihrem Stuhl. »Jace«, sagte sie und in ihrer Stimme schwang große Besorgnis. »Ist dir etwas zugestoßen? Warum bist du schon zurück? Ich dachte, du würdest eine Weile bei …« Ihr Blick wanderte zu Luke und Clary. »Wer sind diese Leute?«
»Ich bin seine Schwester«, sagte Clary.
Maryses Augen ruhten einen Moment auf Clarys Gesicht. »Ja, das sehe ich. Du bist Valentin wie aus dem Gesicht geschnitten.« Dann wandte sie sich wieder an Jace. »Du hast deine Schwester mitgebracht? Und auch noch einen Irdischen? im Moment ist es hier für keinen von euch sicher. Und vor allem nicht für einen Irdischen …«
Luke schenkte ihr ein mattes Lächeln. »Aber ich bin kein Irdischer.«
Ganz langsam veränderte sich der Ausdruck auf Maryses Gesicht – die Verwunderung
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