Chroniken der Unterwelt Bd. 2 City of Ashes
der Rat konnte uns nicht zum Reden zwingen – nichts konnte uns zum Reden bringen, bis zu dem Moment, als …«
»… als was passierte?«, fragte Luke. »Ich habe es nie herausgefunden und mich immer gefragt, was sie euch erzählt haben, damit ihr euch gegen Valentin stellt.«
»Nur die Wahrheit«, sagte Maryse, deren Stimme plötzlich müde klang. »Dass Valentin keineswegs in der Halle des Erzengels gefallen war. Er war geflohen … hatte uns dort zurückgelassen, um ohne ihn zu sterben. Man erzählte uns, er sei später gestorben, beim Brand seines Hauses umgekommen. Die Inquisitorin zeigte uns seine Knochen, das angesengte Amulett, das Valentin immer getragen hat. Aber das war natürlich eine weitere Lüge …« Sie verstummte und schwieg einen Moment. Doch als sie sich wieder gefangen hatte, klang ihre Stimme klar: »Zu dem Zeitpunkt war sowieso alles aus. Endlich konnten wir miteinander reden, wir Verbliebenen des Kreises. Vor der Schlacht hatte Valentin mich beiseitegenommen und mir erzählt, dass von allen Mitgliedern des Kreises ich diejenige sei, der er am meisten vertraue, und dass ich seine Erste Offizierin wäre. Als der Rat uns verhörte, stellte sich heraus, dass er allen Mitgliedern das Gleiche gesagt hatte.«
»Die Hölle kennt keinen größeren Zorn als den einer verschmähten Frau …«, murmelte Jace so leise, dass nur Clary ihn hörte.
»Valentin hat nicht nur den Rat belogen, sondern auch uns. Er missbrauchte unsere Loyalität und unsere Zuneigung – und das hat er ein weiteres Mal getan, als er dich zu uns schickte.« Maryse sah Jace nun direkt an. »Und jetzt ist er zurück und hat den Kelch der Engel. All das hat er von langer Hand geplant, schon vor vielen Jahren. Ich kann es mir einfach nicht erlauben, dir zu vertrauen, Jace. Es tut mir leid.«
Jace schwieg. Sein Gesicht wirkte ausdruckslos, aber er war mit jedem Wort blasser geworden und die frischen Verletzungen an seinem Kinn und seinen Wangenknochen traten deutlich hervor.
»Und was jetzt?«, fragte Luke. »Was erwartest du von ihm? Wohin soll er nun gehen?«
Maryses Augen ruhten einen Moment auf Clary. »Warum kann er nicht zu seiner Schwester?«, erwiderte sie. »Sie ist schließlich seine Familie …«
» Isabelle ist Jace’ Schwester«, unterbrach Clary Maryse. »Und Alec und Max sind seine Brüder. Was wollen Sie denen erzählen? Sie werden Sie ihr Leben lang dafür hassen, dass Sie Jace hinausgeworfen haben.«
Maryse schaute Clary direkt an. »Was weißt du denn schon davon?«
»Ich kenne Alec und Isabelle«, sagte Clary. Plötzlich musste sie an Valentin denken, schob den unwillkommenen Gedanken aber beiseite. »Familie geht über reine Blutsverwandtschaft hinaus. Valentin ist nicht mein Vater – das ist Luke. Und genauso sind Alec und Max und Isabelle Jace’ Familie. Wenn Sie versuchen, ihn aus Ihrer Familie zu reißen, wird das eine Wunde hinterlassen, die nie wieder heilt.«
Luke schaute sie mit einer Mischung aus Erstaunen und Respekt an.
Irgendetwas flackerte in Maryses Augen auf – Unsicherheit?
»Clary«, sagte Jace leise, »lass nur. Es reicht.« Er klang resigniert.
Erneut wandte Clary sich an Maryse. »Was ist mit dem Schwert?«, fragte sie herausfordernd.
Einen Moment lang sah Maryse sie aufrichtig verwirrt an. »Welches Schwert?«
»Das Schwert der Seelen«, sagte Clary. »Das, mit dem man feststellen kann, ob ein Schattenjäger lügt. Sie könnten es bei Jace einsetzen.«
»Das ist eine gute Idee.« In Jace’ Stimme schwang ein Funken Hoffnung mit.
»Clary, du meinst es gut, aber du weißt nicht, was der Einsatz des Schwertes beinhaltet«, sagte Luke. »Die Einzige, die das Schwert nutzen kann, ist die Inquisitorin.«
Jace setzte sich aufrecht hin. »Dann lass sie kommen. Ruf die Inquisitorin. Ich will diese Geschichte endlich hinter mich bringen.«
»Nein« , entgegnete Luke bestimmt, doch Maryse schaute Jace interessiert an.
»Die Inquisitorin«, sagte sie zögernd, »ist bereits auf dem Weg hierher …«
»Maryse.« Lukes Stimme stockte. »Du hast sie doch nicht etwa gerufen!«
»Nein, ich nicht! Aber glaubst du wirklich, der Rat würde sich nicht selbst in diese wilde Geschichte von ForsakenKriegern und Portalen und inszenierten Todesfällen einschalten? Nach all dem, was Hodge getan hat? Dank Valentin wird inzwischen gegen uns alle ermittelt«, schloss sie, als sie Jace’ blasses, erstauntes Gesicht sah. »Die Inquisitorin könnte Jace ins Gefängnis stecken. Sie könnte ihm seine
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