Chroniken der Unterwelt Bd. 4 City of fallen Angels
Bedeutung«, widersprach Clary. »Vielleicht bedeuten sie etwas anderes, als du denkst. Oder jemand — wer auch immer das sein mag — schickt dir diese Träume, um dir wehzutun.«
»Und wer sollte so was tun?«
»Jemand, der uns beide nicht besonders mag«, schlug Clary vor und schob den plötzlich aufkommenden Gedanken an die Königin des Lichten Volkes rasch von sich.
»Vielleicht«, sagte Jace leise und schaute auf seine Hände. »Sebastian …«
Dann will er ihn also auch nicht »Jonathan« nennen, überlegte Clary, konnte ihm deswegen aber keinen Vorwurf machen. Schließlich war es auch sein eigener Name. »Sebastian ist tot«, sagte sie, ein wenig schärfer als beabsichtigt. »Und wenn er diese Macht gehabt hätte, hätte er sie schon lange vorher eingesetzt.«
Zweifel und Hoffnung spiegelten sich abwechselnd auf Jace’ Gesicht. »Du glaubst wirklich, dass irgendjemand anderes mir das antut?«
Clarys Herz pochte laut gegen ihren Brustkorb. Sie war sich nicht sicher. Zwar wünschte sie sich nichts sehnlicher, als dass diese Vermutung der Wahrheit entsprach — aber was wäre, wenn nicht? Dann hätte sie Jace nur unnötig Hoffnungen gemacht. Ihm und ihr. Andererseits war es offenbar schon eine ganze Weile her, dass Jace überhaupt einmal so etwas wie Hoffnung verspürt hatte.
»Ich denke, wir sollten zur Stadt der Stille gehen«, verkündete sie. »Die Stillen Brüder können in deinem Kopf nachsehen und herausfinden, ob irgendjemand darin herumgepfuscht hat. So wie sie es bei mir gemacht haben.«
Jace öffnete den Mund, schloss ihn dann aber wieder. »Und wann?«, fragte er schließlich.
»Jetzt sofort«, sagte Clary. »Ich will nicht länger warten. Du etwa?«
Statt einer Antwort rappelte Jace sich auf, hob sein T-Shirt vom Boden auf und schaute Clary an, fast schon mit einem leichten Lächeln um die Mundwinkel. »Wenn wir zur Stadt der Stille wollen, solltest du dir vielleicht was überziehen. Ich meine, mir gefällt der Unterwäsche-Look ja, aber ich bin mir nicht sicher, was die Stillen Brüder davon halten. Schließlich sind nicht mehr viele von ihnen übrig und ich möchte nicht, dass die restlichen vor Aufregung sterben.«
Clary stand vom Bett auf und warf ein Kissen nach Jace, größtenteils vor Erleichterung. Dann nahm sie ihre Sachen, schob die Arme durch die Ärmel ihres T-Shirts und wollte gerade den Kopf durch die Kragenöffnung stecken, als ihr Blick auf das Messer fiel, das auf der Bettdecke lag: Es schimmerte wie eine silberne Flamme.
»Camille«, setzte Magnus an. »Es ist lange her, dass wir uns zuletzt gesehen haben, nicht wahr?«
Sie lächelte. Ihr Teint wirkte weißer, als er ihn in Erinnerung hatte, und dunkle, verästelte Blutgefäße zeichneten sich unter der Hautoberfläche ab. Dagegen besaßen ihre Haare noch immer die Farbe von gesponnenem Silber und ihre Augen leuchteten auch jetzt so grün wie die einer Katze. Sie war noch immer eine Schönheit. Ihr Anblick versetzte Magnus zurück in die Vergangenheit, in eine Zeit, als er in London gelebt hatte: Er sah die Gaslaternen wieder vor sich, roch den Rauch und den Schmutz und den Pferdedung, die metallische Note des Themse-Nebels und die Blumen in Kew Gardens. Vor seinem inneren Auge erschien der junge Mann mit den schwarzen Haaren und den blauen Augen, die so geschimmert hatten wie die von Alec. Dann das Mädchen mit den langen braunen Locken und dem ernsten Gesicht. ln einer Welt, in der ihm im Laufe der Jahre letztendlich alles genommen wurde, bildete dieses Mädchen eine der wenigen Konstanten.
Und dann war da natürlich noch Camille.
»Du hast mir gefehlt, Magnus«, sagte sie nun.
»Nein, habe ich nicht.« Er hockte sich auf den Boden des Sanktuariums und spürte, wie die Kälte der Steinplatten durch seine Kleidung drang. Glücklicherweise hatte er sich einen Schal umgeworfen. »Also warum hast du mir die Nachricht zukommen lassen? Nur um Zeit zu schinden?«
»Nein.« Camille beugte sich vor und zog an ihren Ketten. Magnus konnte fast das Zischen hören, als das geweihte Metall die Haut ihrer Handgelenke berührte.
»Mir ist so manches über dich zu Ohren gekommen, Magnus. Zum Beispiel, dass die Nephilim dich unter ihre Fittiche genommen haben. Und dass du die Liebe eines Schattenjägers gewonnen hast. Die Liebe dieses Jungen, mit dem du dich eben unterhalten hast, könnte ich mir vorstellen. Aber du hattest ja schon immer einen mannigfaltigen Geschmack.«
»Du hast dir alle möglichen Gerüchte über mich
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