Chroniken der Unterwelt Bd. 4 City of fallen Angels
hatte.
»Jace«, sagte sie leise.
Er drehte sich um, schaute sie an und lächelte.
Sein Lächeln war ihr so vertraut, dass es irgendetwas in ihr zu lösen schien — was es ihr möglich machte, quer über die Terrasse zu ihm zu laufen und ihm die Arme um den Hals zu schlingen.
Jace hob sie hoch und hielt sie eine ganze Weile fest an sich gepresst, sein Gesicht in ihrer Halsbeuge verborgen.
»Du bist wieder gesund«, sagte Clary schließlich, nachdem er sie abgesetzt hatte, und wischte sich mit einer schnellen Bewegung die Tränen aus den Augenwinkeln. »Schließlich hätten die Stillen Brüder dich nicht gehen lassen, wenn mit dir nicht wieder alles in Ordnung wäre, oder? Aber hatten sie nicht gesagt, dass das Ritual länger dauern würde, vielleicht sogar ein paar Tage?«
»Das hat es aber nicht.« Jace nahm ihr Gesicht in seine Hände und schaute lächelnd zu ihr hinunter. Hinter ihm überspannte die Queensboro Bridge den Fluss in einem weiten Bogen. »Du kennst doch die Stillen Brüder. Sie machen um alles, was sie tun, gern viel Aufhebens. Dabei war es eigentlich eine ganz einfache Zeremonie.« Er grinste. »Ich bin mir ziemlich blöd dabei vorgekommen, denn das Ritual ist ursprünglich für Kleinkinder gedacht. Aber dann habe ich mir gesagt, wenn ich das Ganze schnell hinter mich bringe, kann ich es noch rechtzeitig hierherschaffen und dich in deinem sexy Partykleid sehen. Und das hat es viel erträglicher gemacht.« Seine Augen wanderten über ihren Körper. »Und eines kann ich dir verraten: Es hat sich wirklich gelohnt. Du siehst toll aus.«
»Du siehst auch nicht gerade schlecht aus.« Trotz ihrer Tränen musste Clary lachen. »Ich wusste gar nicht, dass du überhaupt so etwas wie einen Anzug besitzt.«
»Hab ich auch nicht — ich musste mir erst einen kaufen.« Jace wischte mit den Daumen über ihre tränenfeuchten Wangen. »Clary …«
»Warum bist du hier auf der Terrasse?«, fragte sie. »Es ist eisig kalt. Willst du nicht lieber wieder reinkommen?«
Er schüttelte den Kopf. »Ich wollte mit dir allein reden.«
»Dann lass uns reden«, sagte Clary kaum hörbar. Sie nahm seine Hände von ihrem Gesicht und legte sie sich auf ihre Hüften, denn sie wünschte sich nichts lieber, als dass er sie fest an sich zog. »Ist noch irgendetwas anderes? Wirst du wieder ganz gesund werden? Bitte verschweig mir nichts; nach allem, was passiert ist, solltest du doch wissen, dass ich mit jeder schlechten Nachricht umgehen kann.« Clary wusste, dass sie nervös vor sich hin plapperte, aber sie konnte nichts dagegen machen — ihr Herz schien mit tausend Schlägen pro Minute zu klopfen. »Ich will doch nur, dass es dir gut geht«, sagte sie schließlich, so ruhig wie möglich.
Seine goldenen Augen verdunkelten sich. »Wieder und wieder gehe ich dieses Kästchen durch, das meinem Vater gehört hat. Aber ich spüre keine Verbundenheit, weder mit den Briefen noch mit den Fotos. Ich weiß nicht, wer diese Leute sind. Sie fühlen sich für mich nicht real an. Valentin dagegen schon.«
Clary blinzelte überrascht; mit solch einer Antwort hatte sie nicht gerechnet. »Ich habe dir doch gesagt, dass das Ganze Zeit brauchen würde …«, gab sie zu bedenken.
Doch Jace schien sie nicht einmal zu hören. »Wenn ich wirklich Jace Morgenstern wäre, würdest du mich dann auch lieben? Wenn ich Sebastian wäre, würdest du mich dann auch lieben?«
Sie drückte seine Hände. »Du könntest nie so sein wie er.«
»Und wenn Valentin mir das angetan hätte, was er Sebastian angetan hat, würdest du mich dann auch lieben?«
In seiner Frage lag ein Drängen, das Clary nicht verstand. »Aber dann wärst du nicht mehr du selbst.«
Sein Atem stockte für einen kurzen Augenblick, so als ob ihre Worte ihn verletzt hätten.
Doch was konnte der Grund dafür sein?, fragte Clary sich. Schließlich sagte sie doch nur die Wahrheit: Er war nicht wie Sebastian. Er war er selbst.
»Ich weiß nicht mehr, wer ich bin«, sagte er. »Ich schaue mich selbst im Spiegel an und sehe Stephen Herondale, aber ich verhalte mich wie ein Lightwood und rede wie mein Vater — wie Valentin. Und dann sehe ich in deinen Augen, wer ich bin, und versuche, diese Person zu sein, denn du glaubst an diese Person, und ich hoffe, dass dieser Glaube ausreicht, mich zu demjenigen zu machen, den du willst.«
»Du bist schon genau der, den ich will. Das bist du immer gewesen«, erwiderte Clary, doch sie hatte das Gefühl, als würde sie in einen leeren Raum
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