Chroniken der Unterwelt Bd. 4 City of fallen Angels
unsere Träume zu beeinflussen versuchen«, murmelte Clary und klang dabei, als ob es ihr leidtat, das Thema überhaupt zur Sprache gebracht zu haben. »Aber ich bin mir sicher, dass das Ganze halb so wild ist. Schließlich haben wir alle mal einen schlechten Traum, oder?« Sie legte eine Hand auf Simons Arm. »Ich will nur kurz nachsehen, wie es ihm geht. Bin gleich wieder zurück.« Bei diesen Worten wanderte ihr Blick bereits an ihm vorbei in Richtung der Türen, die zur Terrasse hinausführten.
Simon nickte, trat zu Seite und schaute ihr nach, wie sie in der Menge verschwand.
Sie wirkte so klein — genauso hatte sie im ersten Schuljahr ausgesehen, als er sie nach dem Unterricht immer nach Hause begleitet und ihr nachgeschaut hatte, wie sie die Treppe zu ihrer Haustür hinaufstapfte, klein und zielbewusst, wobei ihre Lunchbox bei jedem Schritt gegen ihre Knie schlug. Er spürte, wie sich sein Herz, das längst nicht mehr schlug, zusammenzog, und fragte sich, ob es auf dieser Welt etwas Schmerzhafteres gab, als einen geliebten Menschen nicht beschützen zu können.
»Du siehst schlecht aus«, bemerkte eine Stimme neben ihm, rau und vertraut. »Denkst du darüber nach, was für ein mieser Kerl du bist?«
Simon drehte sich um und entdeckte Maia, die schräg hinter ihm an einem Pfeiler lehnte. Sie hatte sich eine der dünnen, schimmernden weißen Lichterketten um den Hals gewunden und ihre Wangen waren gerötet vom Champagner und von der Hitze des Saales.
»Oder sollte ich besser sagen, was für ein mieser Vampir du bist?«, fuhr sie fort. »Allerdings würde das dann so klingen, als ob du als Vampir ziemlich mies wärst.«
»Als Vampir bin ich echt mies«, erwiderte Simon. »Aber das heißt nicht, dass ich nicht auch als dein Freund ziemlich mies war.«
Maia verzog das Gesicht zu einem schiefen Grinsen. »Bat meinte, ich sollte dir gegenüber nicht zu hart sein«, sagte sie. »Und er meinte auch, dass Jungs dumme Dinge tun, wenn es um Mädchen geht — vor allem nerdige Typen, die vorher nie viel Glück bei Frauen hatten.«
»Bat scheint mir direkt in die Seele blicken zu können.«
Maia schüttelte den Kopf. »Ist wirklich nicht leicht, dir lange böse zu sein. Aber ich arbeite daran.« Damit wandte sie sich ab.
»Maia«, setzte Simon an. Er bekam allmählich wieder Kopfschmerzen und ihm war schwindlig. Aber wenn er jetzt nicht mit ihr redete, würde er es nie tun. »Bitte. Warte doch.«
Sie drehte sich noch einmal zu ihm um und schaute ihn an, die Augenbrauen fragend hochgezogen.
»Was ich getan habe, tut mir leid«, erklärte er. »Ich weiß, dass ich das schon vorher gesagt habe, aber ich meine es wirklich ernst.«
Maia zuckte ausdruckslos die Schultern und er konnte nur raten, was in ihr vorging.
Simon schluckte, um die Schmerzen in seinem Kopf zu unterdrücken. »Vermutlich hat Bat recht«, fuhr er fort. »Aber ich glaube, dass es nicht allein daran liegt. ich wollte mit dir zusammen sein, weil — und das klingt jetzt ziemlich egoistisch —, weil du dafür gesorgt hast, dass ich mich normal gefühlt habe. Wie der Junge, der ich vorher war.«
»Ich bin ein Werwolf, Simon — nicht gerade das, was man als normal bezeichnet.«
»Aber genau das … bist du«, erwiderte er, auf der Suche nach den passenden Worten. »Du bist natürlich und echt und einer der normalsten Menschen, die ich kenne. Du bist vorbeigekommen, um Halo zu spielen. Du hast dich mit mir über Comics und über angesagte Bands unterhalten und wolltest Tanzen gehen und einfach nur normale Dinge tun. Und du hast mich behandelt, als wäre ich normal. Du hast mich nie ›Tageslichtler‹ oder ›Vampir‹ genannt, sondern immer nur Simon.«
»Das sind alles Dinge, die Freunde tun«, sagte Maia. Sie hatte sich wieder gegen den Pfeiler gelehnt und ihre Augen schimmerten sanft, als sie fortfuhr: »Aber nicht Freundinnen.«
Simon schaute sie nur stumm an. Die Schmerzen pulsierten inzwischen in seinem Kopf wie ein Herzschlag.
»Und als Nächstes tauchst du auf und hast Jordan im Schlepptau«, fügte sie hinzu. »Was zum Teufel hast du dir dabei gedacht?«
»Das ist nicht fair«, protestierte Simon. »Ich hatte keine Ahnung, dass er dein Ex…«
»Ich weiß; Isabelle hat es mir erzählt«, unterbrach Maia ihn. »Mir ist nur gerade danach, dir noch ein wenig die Hölle heißzumachen.«
»Ach ja?« Simon warf einen schnellen Blick hinüber zu Jordan, der allein an dem runden, festlich gedeckten Tisch saß wie ein Typ, der beim
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