Chroniken der Unterwelt Bd. 4 City of fallen Angels
hineinrufen. Es schien, als ob Jace sie nicht hören würde — ganz egal, wie oft sie ihm sagte, dass sie ihn liebte. »Ich weiß, du hast das Gefühl, dass du nicht weißt, wer du bist — aber ich weiß es. Ganz genau sogar. Und eines Tages wirst du es auch wissen. Und in der Zwischenzeit solltest du aufhören, dir Sorgen darüber zu machen, dass du mich verlieren könntest. Denn das wird nie geschehen.«
»Es gibt da eine Möglichkeit …«, setzte Jace an und schaute ihr in die Augen. »Gib mir mal deine Hand.«
Überrascht streckte Clary ihm ihre Hand entgegen und musste an das erste Mal denken, als er ihre Hand so an sich genommen hatte. Inzwischen trug sie die Rune, die er damals auf ihrem Handrücken gesucht und nicht gefunden hatte und die wie ein geöffnetes Auge aussah — ihre erste unauslöschliche Rune.
Jace drehte ihre Hand um, entblößte ihr Handgelenk, die verletzliche Haut ihres Unterarms.
Clary zitterte. Der Wind vom Fluss fühlte sich an, als würde er geradewegs durch ihren Körper schneiden. »Jace, was hast du vor?«
»Weißt du noch, was ich dir über Schattenjägerhochzeiten erzählt habe? Dass wir keine Ringe tauschen, sondern einander mit Runen der Liebe und Hingabe versehen?« Er schaute sie an, mit großen, verletzlichen Augen unter dichten goldblonden Wimpern. »Ich möchte dir eine Rune auftragen, die uns beide miteinander verbindet, Clary. Es ist nur eine kleine Rune, aber sie ist unauslöschlich. Willst du das auch?«
Clary zögerte. Eine permanente Rune, obwohl sie noch so jung waren — ihre Mutter würde schäumen vor Wut. Aber nichts anderes schien zu wirken; nichts, was sie sagte, schien ihn überzeugen zu können. Vielleicht war dies ja die Lösung. Schweigend zog sie ihre Stele hervor und gab sie ihm. Er nahm sie entgegen und berührte dabei leicht ihre Finger. Sie zitterte immer stärker und fror am ganzen Körper — außer an den Stellen, an denen er sie berührte. Er drückte ihren Arm an seinen Körper und senkte die Stele, berührte sanft ihre Haut und fuhr vorsichtig mit der Spitze darüber. Als Clary nicht weiter protestierte, verstärkte er langsam den Druck. Mittlerweile war ihr so kalt, dass sich das Brennen der Stele fast schon angenehm anfühlte. Sie beobachtete, wie dunkle Linien aus der Spitze flossen und sich ein Muster aus strengen, eckigen Linien herausbildete.
Plötzlich begannen ihre Nervenenden, warnend zu prickeln. Das Muster sprach nicht von Liebe und gegenseitiger Hingabe; es lag etwas anderes darin verborgen, etwas viel Dunkleres, das von Kontrolle und Unterwerfung, von Verlust und Finsternis erzählte. Zeichnete er etwa die falsche Rune? Dabei war es doch Jace, der die Rune auftrug, und er wusste mit Sicherheit, was er da tat. Und dennoch breitete sich an den Stellen, an denen die Stele ihren Arm berührt hatte, ein taubes Gefühl aus — ein schmerzhaftes Kribbeln, das ihre Nerven reizte — und sie fühlte sich schwindlig, als ob der Boden unter ihren Füßen zu schwanken begann …
»Jace.« Ihre Stimme wurde lauter, mit einem Anflug von Angst. »Jace, ich glaube nicht, dass das richtig …«
Er ließ ihren Arm los und balancierte die Stele ganz leicht zwischen den Fingern, mit der gleichen Anmut, mit der er auch all seine Waffen hielt. »Es tut mir leid, Clary«, sagte er. »Ich möchte wirklich mit dir verbunden sein. Ich würde dich deshalb nie anlügen.«
Sie öffnete den Mund, um ihn zu fragen, wovon in aller Welt er da redete, doch sie brachte kein Wort heraus. Dann überwältigte sie die Dunkelheit und sie spürte nur noch, wie Jace’ Arme sie auffingen.
Nachdem Magnus eine gefühlte Ewigkeit lang auf der Party hin und her gelaufen war, die sich seiner Ansicht nach an Langeweile kaum überbieten ließ, entdeckte er endlich Alec, allein an einem Tisch in einer Ecke des Saals und versteckt hinter einem Strauß künstlicher weißer Rosen. Vor ihm stand eine Reihe Sektgläser, die meisten halb gefüllt, als ob vorbeikommende Partygäste sie dort abgestellt und vergessen hatten. Auch Alec machte den Eindruck, als hätte man ihn dort abgestellt und vergessen — er hatte den Kopf in die Hände gestützt und starrte missmutig vor sich hin. Und er blickte auch nicht auf, als Magnus sich mit einem Fuß den Stuhl gegenüber angelte, ihn mit einer fließenden Bewegung umdrehte und sich Alec gegenüber hinsetzte, die Arme auf die Rückenlehne des Stuhls gelegt.
»Willst du wieder nach Wien zurück?«, fragte er.
Statt einer Antwort
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