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Chroniken der Weltensucher – Das Gesetz des Chronos

Chroniken der Weltensucher – Das Gesetz des Chronos

Titel: Chroniken der Weltensucher – Das Gesetz des Chronos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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Braunfärbung. Dort lagen Kreuzberg und Schöneberg. Humboldt legte Oskar seine Hand auf die Schulter. »Die Krawalle kommen näher«, sagte er. »Sie haben den Tiergarten schon fast erreicht.«
    Â»Und was ist ihr Ziel?«, fragte Oskar.
    Â»Vermutlich der Reichstag und das Parlament. Sie wollen das Verbot ihrer Parteien rückgängig machen, notfalls mit Gewalt.«
    Â»Recht haben sie«, sagte Charlotte kämpferisch. »Die Polizei soll erst einmal herausfinden, wer den Kaiser wirklich umgebracht hat, bevor sie den Mord den Sozialisten in die Schuhe schiebt.«
    Â»Was haben wir denn da für ein naseweises Frauenzimmer?«, erklang eine schnarrende Stimme von rechts.
    Sie drehten sich um. In der Tür stand ein dünner, hochgewachsener Mann mit silbergrauem Haar und Vollbart. Gestützt auf einen Gehstock, wirkte er wie ein zu groß geratener Vogel. Seine Haut war wächsern, die Wangenknochen traten hervor und seine Lippen zeigten schmal nach unten. Ein Mund, aus dem gewiss nie ein Lob oder ein freundliches Wort hervorkam.
    Â»Sie haben gefährliche Ansichten, Fräulein Riethmüller. Chaoten und Anarchisten haben in diesem Land keine Chance«, sagte er. »Wer versucht, an den Grundfesten unseres Rechtssystems zu rütteln, wird untergehen.«
    Charlotte war verwirrt. Oberregierungsrat Stangelmeier schien bestens über sie informiert zu sein. Dabei war sie ihm doch noch gar nicht vorgestellt worden.
    Das holte Glockenschmied nun der Form halber nach. »Herr Oberregierungsrat Stangelmeier. Das sind Herr von Humboldt, seine Nichte Charlotte und sein Sohn Oskar.«
    Â»Sehr erfreut.« Er trat näher und reichte ihnen die Hand. »Aber bitte, kommen Sie doch herein.« Er wies auf die geöffnete Arbeitszimmertür.
    Oskar folgte den anderen. Der Raum war klein, düster und roch komisch. Wie alte Leute eben so riechen, dachte er und stellte sich an die Seite seines Vaters.
    Â»Bitte nehmen Sie Platz«, sagte Stangelmeier und deutete auf eine Reihe von Stühlen gegenüber seinem Arbeitstisch. Der Oberregierungsrat ließ sich auf seinem Sitzplatz nieder und wandte sich seinem Gehilfen zu. »Danke, Glockenschmied, das wäre dann alles. Es sei denn, die Herrschaften möchten noch eine Erfrischung …?«
    Â»Nein danke«, sagte Humboldt.
    Glockenschmied verabschiedete sich und schloss die Tür. Auf einmal wirkte der Raum noch kleiner und düsterer. Oskar lief ein Schauer über den Rücken.
    Â»Mir ist zu Ohren gekommen, dass man Ihnen wieder einen Lehrstuhl angetragen hat«, sagte Stangelmeier.
    Â»Das ist wahr, aber ich weiß noch nicht, ob ich das Angebot annehmen soll«, sagte Humboldt.
    Â»Warum nicht, wenn ich fragen darf? Das Wissen muss an die Jugend weitergegeben werden. Welchen Nutzen hätte es sonst?«
    Â»Nun, es gibt solche, die Wissen erwerben, und andere, die es weitergeben. Jeder hat da so seine Vorlieben. Ich habe mich noch nicht entschieden, zu welcher Seite ich gehöre.«
    Â»Sie sollten gründlich darüber nachdenken. Diesem Land stehen schwere Herausforderungen bevor und wir brauchen eine Jugend, die stark und überlegen ist. Nur so können wir uns gegen die Bedrohung von außen zur Wehr setzen.« Er strich mit den Händen über die polierte Tischplatte. »Aber ich möchte zur Sache kommen. Es geht – Sie ahnen es vermutlich – um den Artikel, der gestern in der Berliner Morgenpost erschienen ist.« Er griff seitlich in eine Schublade und holte ein zerlesen aussehendes Exemplar der Zeitung heraus.
    Â»Hier drin steht, dass Sie an einer Art Zeitschiff arbeiten. Ein Gerät, mit dem es möglich wäre, sowohl in die Zukunft als auch die Vergangenheit zu reisen. Ist da etwas dran, oder müssen wir diesen Reporter – wie war doch gleich sein Name, ach ja, Fritz Ferdinand – wegen Verleumdung und Irreführung einsperren lassen?« Stangelmeiers Blick hatte etwas Kaltes, Schneidendes. Wie das Licht auf einem Skalpell. »Nun?«
    Humboldt schien für einen kurzen Moment einen inneren Kampf auszufechten, dann öffnete er den Mund.
    Â»Es stimmt«, sagte er mit fester Stimme. »Der Bericht ist wahr.«
    Stangelmeiers Brauen rutschten nach oben. »Bemerkenswert«, sagte er mit leiser Stimme. »Und wie weit sind Ihre Forschungen gediehen?«
    Â»Um ehrlich zu sein …«, Humboldt räusperte sich. »Ich würde es

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