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Chronos

Titel: Chronos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Charles Wilson
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das Geld, dann seufzte sie und sah ihn furchtlos an.
    »Ich koche erst mal Kaffee«, sagte sie. »Ich glaube, heute Nacht ist an Schlafen nicht mehr zu denken.«
    »Da dürftest du recht haben«, sagte Tom.
    Sie hielt die Tasse in beiden Händen, als ob sie ein Anker wäre, der sie mit der Erde verband.
    »Erzähl es mir noch einmal«, sagte sie. »Erzähl mir, wie du hierhergekommen bist.«
    Er rieb sich die Augen. »Noch einmal?«
    »Ja. Aber diesmal etwas langsamer.«
    Er holte tief Luft und fing an.
    Als er seinen Bericht beendete, war es bereits nach zwei Uhr. Die Straßen draußen waren still, das Licht im Zimmer erschien irgendwie seltsam und steril. Er war benommen, schläfrig und hatte einen Kater.
    Joyce hingegen war hellwach.
    »Das ergibt keinen Sinn«, sagte sie. »Weshalb ein Tunnel zwischen hier und ... wie heißt es? Bellfountain?«
    »Belltower«, sagte Tom. »Ich weiß es nicht. Ich habe ihn nicht gebaut, Joyce. Ich habe ihn nur gefunden.«
    »Hätte jeder ihn finden können?«
    »Ich denke schon.«
    »Und kein anderer hat ihn benutzt?«
    »Jemand muss es getan haben. Wenigstens einmal. Er muss ihn benutzt und, wie ich vermute, verlassen haben. Aber das weiß ich nicht mit Sicherheit.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Das glaube ich nicht.«
    Er kam sich so hilflos vor. Er hatte ihr alle Beweise gezeigt, die er besaß, hatte ihr alles so ruhig wie möglich erklärt.
    »Nein, ich meine ... ich weiß, dass es stimmt. Die Karten, das Geld, die Uhr ... vielleicht kann jemand solche Dinge fälschen, aber das bezweifle ich. Es stimmt, Tom, aber ich glaube es nicht. Du verstehst doch, was ich damit sagen will, nicht wahr? Es fällt mir schwer, dich zu betrachten und mir zu sagen, dass ich einen Typ aus dem Jahr 1989 vor mir sehe.«
    »Was kann ich sonst tun?«
    »Es mir zeigen«, sagte Joyce. »Zeig mir den Tunnel.« Das war etwas, was er eigentlich nicht beabsichtigt hatte.
    Er ging mit ihr – weit war es nicht – zu Fuß zu dem Gebäude in der Nähe des Tompkins Square.
    »Hier ist es?«, fragte Joyce. Sie meinte: ein Wunder – hier? Er nickte.
    Die Straße war still und menschenleer. Tom holte seine Uhr aus der Tasche: drei Uhr fünfzehn, und er war ganz taub vor Erschöpfung und bereute seine Entscheidung bereits.
    Später sollte Tom erkennen, dass der Besuch des Tunnels eine Trennlinie markierte. Von diesem Zeitpunkt an waren die Ereignisse außer Kontrolle geraten. Vielleicht spürte er es bereits – ein Echo seiner eigenen Zukunft, das durch die verschiedenen Abschnitte der zergliederten Zeit hallte.
    Er hatte Hemmungen, mit ihr hineinzugehen, und er war sich plötzlich sicher, dass es ein Fehler gewesen war, sie hierher mitgenommen zu haben. Wenn er nicht so betrunken gewesen wäre ... und nicht zu müde, um sich zu wehren ...
    Sie zog an seiner Hand. »Zeig ihn mir.«
    Und nun gab es keinen vernünftigen Grund mehr umzukehren. Er warf noch einen letzten Blick auf das wuchtige Gebäude, auf all die Zimmer und Korridore, die er sich niemals angeschaut hatte. Ein einziges Fenster leuchtete in der Dunkelheit.
    Er geleitete Joyce in die Halle. Sie war leer bis auf das Summen einer defekten Leuchtstoffröhre. Er legte die Hand auf die Klinke der Tür, die in den Keller führte.
    Die Tür öffnete sich nicht.
    »Probleme?«, erkundigte Joyce sich.
    Er nickte stirnrunzelnd. »Sie war vorher nicht verschlossen. Ich glaube nicht, dass sie ein Schloss hatte.« Er beugte sich über den Mechanismus. »Das sieht neu aus.«
    »Hat jemand ein neues Schloss angebracht?«
    »Ich nehme es an.«
    »Was bedeutet das?«
    »Ich weiß es nicht. Es könnte heißen, jemand weiß, dass ich hier war. Es könnte auch so gewesen sein, dass der Hausmeister Kinder im Keller angetroffen hat und entschied, etwas dagegen zu unternehmen.«
    »Gibt es denn einen Hausmeister?«
    Er zuckte die Achseln.
    »Aber irgendjemandem muss das Haus doch gehören. So etwas ist doch sicherlich in irgendwelchen Archiven verzeichnet, nicht wahr?«, sagte sie. »Man kann im Rathaus nachschlagen.«
    »Ich denke schon.« Auf die Idee war er noch nicht gekommen. »Das könnte gefährlich sein. Das hier ist schließlich kein harmloses Abenteuer. Ich finde, wir sollten auf keinen Fall die Aufmerksamkeit auf uns lenken.«
    »Wenn wir diese Tür nicht öffnen«, erklärte Joyce, »kannst du nie mehr nach Hause zurückkehren.«
    »Wenn wir sie öffnen, dann bauen sie beim nächsten Mal vielleicht ein besseres Schloss ein, oder sie stellen einen Wächter

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