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Chuzpe

Chuzpe

Titel: Chuzpe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Pittler
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Kasematten von Spielberg, haben wir uns verstanden?“
    „Aber sicher, Herr Inspektor.“
    „Wiederschau’n.“ Ohne die Antwort des Bäckers abzuwarten, wandte sich Bronstein zum Gehen und verließ das Geschäft. Die zwei Frauen hatten die Szene sprachlos verfolgt. Bronstein bedeutete ihnen, ihm zu folgen. An der Ecke drückte er jeder Frau eine Hälfte des Brotlaibs in die Hand: „So. Da haben S’. Und jetzt is a Ruh. Schau’n S’, dass S’ weiterkommen.“ Die beiden Frauen brachten vor Staunen keinen Ton heraus, und diesen Augenblick nutzte Bronstein, um sich durch die Schottengasse in Richtung Ring zu absentieren. Für sich selbst sollte er einmal so ein guter Anwalt sein, dachte er bei sich. Da hatte er der Mutter doch glatt ein Huhn versprochen. Wo, um alles in der Welt, sollte man in dieser Stadt ein echtes Huhn auftreiben? Seit mehreren Wochen gab es auf den Märkten praktisch gar nichts mehr, keine Butter, keinen Käse, keine Milch. Schweinefleisch war nur noch vom Hörensagen ein Begriff, und Hühner, die waren überhaupt zu einer reinen Legende geworden. Er müsste bei irgendeinem reichen Herrn eine Razzia machen, überlegte Bronstein bitter, dann hatte er vielleicht eine Chance, einen Vogel zu beschlagnahmen. Aber im Gegensatz zu einem einfachen Bäcker kannte die feine Gesellschaft ihre Rechte, und so würde er mit einer solchen Tour nur auf die Nase fallen. Mit hängenden Schultern traf Bronstein im Präsidium ein.
    „War was los?“
    „Aber überhaupt nix“, entgegnete ein sichtlich gelangweilter Pokorny, „i führ schon Selbstgespräche, weil mir so fad ist.“
    „Sag einmal, Pokorny, wie versorgst du dich eigentlich mit Lebensmitteln?“ Bronstein setzte sich an seinen Schreibtisch und sah den Kollegen erwartungsvoll an. Über all die Jahrewar Pokornys Wohlstandsbauch keinen Deka kleiner geworden, was darauf hindeutete, dass Pokorny so seine Quellen hatte.
    „Dir kann ich’s ja sagen“, nuschelte Pokorny und beugte sich verschwörerisch nach vorn, „i kenn an Bauern in Himberg. Der is sehr erfinderisch, was des Bewahren seines Besitzstandes anbelangt.“
    Bronstein verstand, was Pokorny meinte. Seit dem Vorjahr zogen regelmäßig Vertreter des Heeres durch die Lande und konfiszierten bei den Bauern alles, was sich irgendwie noch bewegte. Zahllose Wirtschaften waren dadurch ruiniert worden, dass die Kommissionen ihnen die letzte Kuh, die letzte Sau weggenommen hatten, zahlreiche Kinder waren am allgemeinen Mangel zugrunde gegangen, weil ihnen die Armee die notwendige Milch vorenthalten hatte. Es gab selbst im Präsidium nicht wenige, die meinten, durch diese rücksichtslose Vorgangsweise habe es sich die kaiserliche Armee endgültig mit allen verscherzt, denn oft und oft war sogar Heu requiriert worden, das sodann so lange auf dem Feld liegengelassen worden war, bis es restlos verfault war. Dann erst hatte man die Konfiskation formell zurückgenommen, was jeder normale Mensch als pure Schikane empfinden musste. Die Bauern, die um ihr eigenes Überleben kämpften, wurden ob solcher Praktiken immer erfindungsreicher, wenn es darum ging, ihren Besitz vor den Militärs zu verstecken. Es wurden Geschichten bekannt, dass Landwirte ihr Vieh in eigens gegrabenen Gruben hielten, damit die Kommission nur leere Ställe zu sehen bekam. Pokornys Bekannter aus Himberg hatte offenbar ähnlich kreative Ideen gehabt.
    „Sag, tätest du an ein Hendl kommen?“
    „Sicher. Aber des kostet a Lawine.“
    „Wie viel?“
    „In Zeiten wie diesen? Lass mich nachdenken! Mit an Gulden musst schon rechnen!“ Bronstein blieb die Spucke weg. Das war das Zehn- bis Zwölffache des Normalpreises.„I brauchat dringend ans für meinen alten Herrn. Er hat’s schwer mit der Gripp’, wie du weißt!“
    Pokorny setzte eine gütige Miene auf: „Lass den alten Pokorny nur machen. Organisier mir ein Automobil, und du hast um viere dein Viecherl.“
    „Na das is a Red!“ Bronstein griff beschwingt zum Telefonapparat. „Hallo? Ja, verbinden S’ mich mit dem Fuhrpark. Aber pronto!“ Bronstein musste einen Augenblick warten, dann vernahm er eine männliche Stimme am anderen Ende der Leitung. „Major Bronstein hier! Wir brauchen ganz dringend einen Wagen mit Chauffeur. Gefahr in Verzug! … Was? … Zehn Minuten? Des passt, ja! … Vors Präsidium, genau! Hervorragend. Danke!“ Bronstein sah Pokorny an: „Hast es eh g’hört, gell.“
    „Ja. Und jetzt gib mir noch das Geld und eine Schachtel Zigaretten.“
    „A

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