Chuzpe
ganze Schererei hat ja im 13er-Jahr ang’fangen. Da hat die Gitti g’meint, i taugat nix als Ehemann. Ja mei, mir is halt a paar Mal die Hand auskommen“, maulte er, „aber die Gitti hat das damals maßlos dramatisiert. Sie hat’s ja scho ordentlich auf der Lunge g’habt und war deswegen allerweil ziemlich rapplert. Irgendwann im Sommer ’13 hab i mei Hack’n verloren. Wegen so an Streik, so an depperten. Und, ja, da hab i zum Saufen ang’fangen. Und Sie hat die ganze Zeit a Mordstrara g’macht, i soi endlich aufhör’n mit’m Tschechern und ma endlich wieder a Arbeit suchen. Als ob des so leicht g’wesen warat, damals. Na, und wie s’ ma wieder einmal in die Haar g’hängt is wegen dem Schas, da hab i s’ halt a bisserl trickert. Is ma obposcht. Mit’m Hannerl, die was damals fünfzehn war. Ja, und seitdem leb i allan do.“
„Und weiter?“
„Nix weiter. Im 14er-Jahr bin i dienstverpflichtet worden und hab als Schlosser g’arbeit’ fürs Militär. Da is’s ma guat gangen. Aber dann haben s’ mi wieder außeg’haut, weil s’ g’meinthaben, ich sei unzuverlässig. Na, hab i wieder des Saufenang’fangt. Und vorige Weihnachten steht des Hannerl auf einmal vor meiner Tür. Sagt ma, mit der Gitti geht’s z’ End, weil die scho ihr ganzes Beuschel außehuast. Ob i s’ no amoi sehen wü. Und so samma wieder z’sammkommen, irgendwie. Zwa Monat später war s’ hin, die Gitti. I hab dem Hannerl no g’sagt, sie soi wieder zu mir z’ruckkommen, aber davon hat s’ nix wissen wollen. Sie hat an G’schamsterer g’habt. Irgend so an Zieglbehm aus Favoriten, an Blaha oder so. Spengler war der angeblich, wos waaß i. Zu Ostern war s’ no amoi da bei mir, und am End hat s’ g’sagt, sie wü mi nie wieder seh’n. Und … und … genau so woar’s dann a.“ Feigl bekam neuerlich einen Weinkrampf und griff mit zittriger Hand zum Schnaps.
„Das heißt, Sie haben Ihre Tochter seit rund acht Monaten nicht mehr gesehen?“, bemühte sich Bronstein, das Gespräch in Gang zu halten. Feigl nickte nur.
„Erzählen Sie mir mehr über diesen Blaha. Was wissen Sie über ihn? Haben Sie eine Ahnung, seit wann Ihre Tochter mit diesem Herrn Blaha liiert war?“
„Was weiß denn ich! Zu Weihnachten hat’s ihn jedenfalls schon geben. A unguater Kerl. Goschert für zehne – und faul für zwanzig.“
Bronstein verkniff sich die Replik, dass Feigl offenbar auch nicht ein Ausbund an Fleiß war. „Wissen Sie, wo er wohnt, der Herr Blaha?“
„Ka Ahnung. Irgendwo in Favoriten.“
Das konnte heiter werden. In Wien gab es sicherlich 5.000 Blahas. Und 4.950 davon wohnten im 10. Bezirk. Noch dazu war ja nicht einmal gewährleistet, dass der Mann überhaupt Blaha hieß. „Und wo er als Spengler gearbeitet hat, das wissen Sie natürlich auch nicht?“
„Doch, der war bei die Staatsbahnen, was ich mich erinner. Aber i waaß nimmer, ob der dort wirklich Spengler war, oderob er dienstverpflichtet war. Weil eigentlich hätt er ja in der Armee sein müssen. Der war ja höchstens Mitte zwanzig, wenn überhaupt. Aber die haben ihn ned g’nommen, weil er’s aa auf der Lunge g’habt hat – angeblich.“
Die Staatsbahnen waren immerhin ein Anhaltspunkt. Und beim Militärergänzungskommando konnte man auch nachfragen, ob es irgendwelche Untaugliche namens Blaha in Wien gegeben hatte. „Hatte der Mann auch einen Vornamen?“
„Na was glauben S’?“ Feigl sah Bronstein mit einer Mischung aus Spott und Verärgerung an.
„Na, wissen S’ ihn? Hat das Fräulein Tochter ihn einmal beim Namen genannt oder hat sie ihm einen Kosenamen gegeben?“ Nunmehr musste Feigl nachdenken. Er rieb sich mit den Handflächen die Schläfen und schloss dabei die Augen. „Ja, lassen S’ mi nachdenken. Turl? Na, des war der Chef von der Quetsch’n, in der s’ g’arbeitet hat. Sepp? Ah ned. Warten S’, irgendwas Katholisches war’s, i komm gleich drauf. Hans? Schani? … Ja, Schani! Des war’s! Johann. I bin ma sicher, der haaßt Johann.“
„Und wer ist der Turl?“
„Arthur Nemec. Dem g’hört a Wäscheg’schäft auf der Favoritenstraßen. Unterwäsch’, Hemden, Hosen, Röck’, so Sachen halt. Des is aa a Änderungsschneiderei, und dort hat des Hannerl g’arbeit’. Zu Ostern jedenfalls noch. Der Turl hat nämlich vorbeig’schaut und ihr a paar g’färbte Eier vorbeibracht. An das kann i mi no erinnern, weil s’ ma ans davon g’schenkt hat. Wir haben beide scho a Ewigkeit kane Eier mehr g’essen, und so hamma
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