Chuzpe
uns g’freut als wie. Ja, des war der Turl!“
„Waren sonst noch irgendwelche Personen zu irgendeinem Zeitpunkt zugegen, an die Sie sich erinnern könnten?“
„Na ja, da müsst i nachdenken“, sagte Feigl und schien zu grübeln. „Könnt i jetzt ned sagen“, lautete schließlich sein Resümee.
„Herr Feigl, eine Frage hätte ich noch“, setzte Bronstein das Gespräch fort, „wie hat Ihre Tochter auf Sie gewirkt damals? War sie zufrieden, war sie ausgeglichen, oder wirkte sie vielleicht nervös? Ist Ihnen irgendetwas Besonderes aufgefallen?“
Feigl schüttelte den Kopf: „Na. Außer, dass s’ total verliebt war halt. Schani da, Schani dort. Und da hab i s’ dann g’fragt, was s’ find’t an dem damischen Behm. Und da hat s’ mi dann ganz bes ang’schaut und hat zischt: I wü di ni wieda seg’n. Na ja, ganz die Mama.“
„Das heißt, sie hat sich auch in den letzten Tagen nicht bei Ihnen gemeldet.“
„Des hab i Ihna ja scho g’sagt. Na, hat s’ ned!“
„Herr Feigl, das wäre vorläufig alles. Wir müssen Sie nur bitten, sich zu unserer Verfügung zu halten. Es könnte sein, dass wir Sie noch einmal brauchen. Und seien Sie unseres aufrichtigen Beileids versichert.“
Bronstein schickte sich an, die Wohnung zu verlassen. Feigl sah ihm nach. „Was wird denn jetzt mit dem Hannerl?“, fragte er mit zitternder Stimme.
Bronstein drehte sich noch einmal um: „Ach ja, richtig. Wir müssen Sie leider bitten, die Tote zu identifizieren. Wir haben zwar ihren Ausweis bei ihr gefunden, aber Sie wissen ja, es muss immer alles seine Richtigkeit haben. Und in ein paar Tagen wird die Lei… – wird die Hannerl dann freigegeben für das Begräbnis. Da werden Sie aber noch extra in Kenntnis gesetzt, zumal Sie ja der nächste Verwandte sind.“
„Und des sog’n S’ ma so afoch ins G’sicht?“ In Feigl schien Zorn aufzulodern.
„Es tut mir leid, Herr Feigl, dass ich Ihnen keine erfreulichere Nachricht überbringen kann, ich kann nur noch einmal mein Beileid ausdrücken“, blieb Bronstein sachlich.
Feigl stand langsam auf. „Hearst, Kiwara, drah di, sunst reiß i da in Schädel o, Sauhund, elendiger! Kummst do afoch herund dazöhst ma, mei Hannerl is hi. Afoch so! Schleich di, oba gach a no, sunst is glei no wer hi.“
Pichler wollte einschreiten und den Vater zur Mäßigung mahnen, doch Bronstein winkte nur ab. Es hatte keinen Sinn, mit einem Verzweifelten zu streiten. Er schritt schnell durch die Tür und winkte Pichler zu sich. Sie waren bereits beinahe beim Haustor, als sie der gellende Schrei des Feigl einholte: „Oaschlecher!“
„Was jetzt?“, fragte Pichler, als sie wieder auf der Straße standen.
„Jetzt gehen wir in die Wohnung der Toten. Sie haben doch noch Zeit für einen kleinen Spaziergang?“
„Na hören Sie, Herr Major, dazu bin ich ja da.“
„Na, dann gehen wir’s an.“
Der Weg in die Margaretenstraße erwies sich als erstaunlich lang. Bronstein fühlte bereits eine gewisse Müdigkeit in sich aufsteigen, als sie endlich das Margaretner Schloss vor sich auftauchen sahen. Gegenüber breitete sich der majestätische Margaretenhof aus, das Prestigeprojekt der liberalen Ära, das allein noch davon kündete, dass sich auch die Liberalen um die Kommunalpolitik verdient gemacht hatten. Vorbei am Kinematographen-Kino gelangten sie endlich zu jenem Haus, in dem die verewigte Hannah Feigl gewohnt hatte. Sie gingen die Einfahrt entlang und klopften an der Tür der Hausmeisterwohnung. Eine krumme Alte mit üppigem Damenbart öffnete ihnen. Bronstein stellte sich vor und fragte dann, wo die Feigl gewohnt hatte. Er erhielt die gewünschte Auskunft und gleichzeitig das Angebot, sich mittels des Generalschlüssels der Hausmeisterin Zutritt zur Wohnung zu verschaffen. Er folgte also der Buckligen in den zweiten Stock und ließ sich die Tür aufsperren.
Die Wohnung bestand aus einem kleinen, fensterlosen Vorraum, in dem ein großer Kleiderkasten stand. Geradeaus folgte eine ebenso kleine Küche, die als einzige Lichtquelle eineschmale Öffnung in einen Lichtschacht aufwies. Linker Hand ging es in ein Wohnzimmer, hinter dem sich ein kleines Kabinett befand, das offenbar als Schlafraum gedient hatte. Beide Zimmer wiesen Fenster zum Hof auf. Was Bronstein zuerst auffiel, war der Umstand, dass die Wohnung kaum möbliert war. In der Küche standen ein Kanonenofen und ein Rechaud, dazu ein großes Schaffel, das wohl zum Waschen ebenso wie zum Reinigen des Geschirrs Verwendung
Weitere Kostenlose Bücher