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Chuzpe

Chuzpe

Titel: Chuzpe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Pittler
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Verschub.“
    „Daraus wird vorläufig nichts. Aber wenn die Zeitungen die Wahrheit schreiben, dann verkehren die Staatsbahnen im Augenblick ohnehin nicht. Zur Not melden Sie sich eben krank.“
    Plachutta sah Bronstein verzweifelt an: „Und was … wird jetzt aus der Hanni?“
    „Die werden wir in die Obhut ihres Vaters geben. Am besten, Sie setzen sich mit dem in Verbindung. Ich darf mich empfehlen.“ Ohne eine weitere Reaktion von Plachutta abzuwarten, verließ Bronstein die Wohnung.
    Noch fünf Stunden trennten ihn von einem Wiedersehen mit Jelka. Wie, so fragte sich Bronstein, sollte er diese Zeit überbrücken? Er konnte sich auf gut Glück gleich in den Böhmischen Prater begeben, doch die Wahrscheinlichkeit, die Resch dort anzutreffen, war eher gering. Außerdem war mehr als fraglich, ob er eine solche Expedition zeitgerecht bewerkstelligen konnte, denn zum besagten Vergnügungsplätzchen waren es sicher fünf Kilometer. Vernünftiger war es da schon, sich noch irgendwo einen Kaffee zu gönnen und dann bei den Eltern einzufinden, um dort nach dem Rechten zu sehen.
    Bronstein schlug also den Weg in die Innenstadt ein und kam alsbald zu jenem Café Frey, das ihm schon am Vormittag aufgefallen war. Von dort war es nur noch ein Katzensprung zu seinen Eltern, weshalb er dort mit gutem Gewissen eine Pause einlegen konnte. Er setzte sich an einen kleinen Tisch direkt gegenüber der Tür und bestellte einen Pharisäer. Der Alkohol mochte darüber hinwegtäuschen, dass der Kaffee in Wirklichkeit nie mit einer Bohne in Berührung gekommen war. Bronstein zündetesich eine Zigarette an und dachte nach. Der Fall Feigl war in der Tat kompliziert. So unsympathisch er den Plachutta fand, so wenig traute er ihm den Mord an der jungen Frau zu. Auch der Vater schied für ihn als Verdächtiger aus. Damit war er aber auch schon wieder mit seinem Latein am Ende, denn mehr Personen schienen ihm in diesen Fall nicht verwickelt zu sein. Es musste also noch eine andere Spur geben, die es zu finden galt. Wenn die Feigl so zurückgezogen gelebt hatte, besaß sie offenbar ein Geheimnis, das aufzudecken nun seine Aufgabe war. Denn es erschien ihm äußert unwahrscheinlich, dass die Feigl irgendeinem Zufall zum Opfer gefallen sein sollte. Vielleicht, so dachte Bronstein, war es ratsam, sich noch einmal mit dem Fräulein Dora zu unterhalten, denn möglicherweise gab es auch im Leben der Feigl noch einen anderen Mann, so wie die Resi im Leben des Plachutta. Und wenn er sich die Sache recht besah, dann brauchte er die Praterhure gar nicht erst zu befragen. Plachutta hätte dieses Alibi nicht vorgebracht, wenn es nicht stimmte. Und wenn er es sich doch einfach nur zurechtgelegt hatte, dann war es sicher mit dieser Resi abgesprochen. Vorerst also war diese Verbindung nicht zu knacken, also verschwendete man besser auch keine Zeit darauf.
    Apropos Zeit. Vielleicht besuchte er nun doch seine Eltern, denn je früher er dort eintraf, desto früher konnte er auch wieder gehen. Er winkte dem Kellner, zahlte und legte den Rest des Weges zur elterlichen Wohnung zurück.
    Wortlos fiel ihm die Mutter um den Hals, kaum, dass sie ihn erblickt hatte. Sie hielt ihn eine Weile ganz fest, dann begann sie zu schluchzen. „Jetzt deliriert er auch noch“, stöhnte sie. „Als ich zu Mittag bei ihm war, da hat er irgendetwas daherphantasiert vom Kaiser und von Königgrätz.“
    Das klang nun wirklich ernst. Bronstein machte sich los und betrat das elterliche Schlafzimmer. Der Vater warf sich stöhnend auf dem Bett hin und her. Zwischendurch sprudelteneinzelne Wortfetzen aus seinem Mund: „Sehr wohl, Eure Majestät“, hörte Bronstein, und „Euer Gnaden sind zu gütig.“
    „Aber Papa, was hast denn“, sagte er daraufhin, doch der Vater nahm ihn nicht wahr. Bronstein drehte sich zu seiner Mutter um: „Wann hast du zuletzt Fieber gemessen?“
    „In der Früh. 39,3 hat er g’habt.“
    Der Major nahm das Thermometer und prüfte die Temperatur nun selbst. Das Ergebnis ließ seine Sorge nur noch wachsen. „Fast 40“, flüsterte er und sah die Mutter ernst an: „Ich fürchte, jetzt müssen wir ihn doch ins Spital bringen. Anders wird das nicht mehr gehen. Dieses hohe Fieber ist einfach zu gefährlich.“
    Die Mutter schlug die Hände vor dem Gesicht zusammen und begann bitterlich zu weinen. Bronstein trat auf sie zu und umarmte sie: „Jetzt mach dir einmal keine Sorgen. Das wird schon wieder. Aber er braucht einfach professionelle Hilfe. Wir haben nicht

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