Chuzpe
Teil des Columbusplatzes. Auf der linken Seite befand sich ein Hotel. Dort würde Plachutta bestimmt nicht sein Quartier haben, also konnte nur das Eckhaus auf der rechten Seite gemeint sein. Bronstein suchte nach der Eingangstür und dann nach der Hausmeisterwohnung. Als auf sein Klopfen reagiert wurde, zeigte er seine Kokarde und erkundigte sich, wo der Herr Plachutta wohne. Man erklärte ihm, der „Pitomec“ bewohne Nummer 4 im ersten Stock. Bronstein wusste nicht, dass Pitomec auf Tschechisch Trottel hieß, doch ahnte er anhand des Tonfalls, dass diese Bezeichnung Plachutta nicht unbedingt zur Ehre gereichte.
Er stieg die schmale Treppe hinauf und fand die gesuchte Türnummer. Abermals klopfte er: „Nur herein, wenn’s nicht die Polizei ist“, flötete Plachutta während des Öffnens der Tür und grinste dabei debil.
„Tja, Pech, Plachutta. Es ist die Polizei“, replizierte Bronstein lakonisch und hob erneut seine Kokarde.
„Schleich di! Des is aber jetzt ned wahr, oder?“ Plachutta war sichtlich perplex. „Is die überhaupt echt?“
„Und wie! Herr Plachutta, ich muss mit Ihnen reden. Darf ich eintreten?“
„Wann’s sein muss, bitte schön.“ Plachutta trat einen Schritt zur Seite und bot Bronstein so die Gelegenheit, die Küche derKleinstwohnung zu betreten. Auf den ersten Blick erkannte er, dass diese Behausung substanziell kleiner war als jene in der Margaretenstraße, was die Frage aufwarf, warum die Feigl zu ihm gezogen war, anstatt er zu ihr. Aber wahrscheinlich hatte der Plachutta unter Beweis stellen müssen, dass er der Mann im Haus war, und deshalb darauf bestanden, dass sie seine Untermieterin war und nicht umgekehrt er der ihre. Bronstein setzte sich unaufgefordert auf die kleine Bank, die hinter dem wackeligen Küchentisch an der Wand stand, und zündete sich eine Zigarette an. Nachdem er den Rauch ausgeblasen hatte, sah er Plachutta direkt an: „Sie kennen eine Frau Feigl?“
„Die Hannah? Ja, sicher! Die is mei Oide!“
„Da habe ich aber etwas anderes gehört. Es heißt, sie habe sich von Ihnen getrennt, weil Sie auch von anderen Früchten genascht haben.“
„So a Bledsinn!“ Plachutta brauste auf. „Wer dazöht so was? Dem hau i ane eine, dass er des G’sicht beim Oasch hot!“
„Keine Insinuationen, bitte, das ist der Sache wirklich nicht dienlich, Herr Plachutta.“ Und es stimmte, dachte Bronstein, während er den Gelangweilten mimte: Der Mann hatte wirklich Segelohren.
„Kane Insi…was?“
„Sie sollen keine Drohungen ausstoßen, sondern auf meine Fragen antworten. Sie meinen also, nach wie vor mit der Frau Feigl liiert zu sein?“
„Jo sicher!“
„Wann haben Sie sie zuletzt gesehen?“
Plachutta schien tatsächlich nachzudenken. „Am Mittwoch. Gegen fünfe war’s. Bei dem Schneider, bei dem wos hackelt. I hob mi daun g’schlich’n, wäu der Oide, der vakiefelt mi ned. Dem bin i über, und des vatrogt er ned, der Pfrnak der.“ Nun, auch das stimmte, schoss es Bronstein durch den Kopf. Die Nase des Nemec war in der Tat markant.
„Dann ist das wohl eher eine lockere Beziehung, die Sie da pflegen. Immerhin sind seit Mittwoch fast drei Tage vergangen.“
„Und wos geht des Ihna au?“
„Eine ganze Menge“, blieb Bronstein gelassen, „ich bin nämlich von der Mordkommission.“ Bronstein wartete einen Augenblick, um diese Information ins Hirn des Plachutta sickern zu lassen. „Na, klingelt’s jetzt?“, hakte er nach.
Plachutta wurde blass: „Is leicht wos mit der Hanni?“
„Also Sie g’fall’n mir, Herr Plachutta. Da sehen Sie Ihre Quasi-Verlobte drei Tage lang nicht, und Sie denken sich nicht einmal etwas dabei?“
„Aber ich bitt’ Sie“, versuchte der Eisenbahner den Major nun zu begütigen, „des war gar nix Besonderes, des is immer wieder amoi vorkommen, dass ma uns a paar Tag ned g’seh’n ham. Sie hat halt a ihr’n Freiraum braucht. Aber jetzt sag’n S’ ma endlich: Is ihr was g’scheh’n?“
„Herr Plachutta“, Bronstein legte nun allen Ernst in seine Worte, „Ihre Frau Feigl ist ermordet worden. In der Nacht auf Donnerstag, um genau zu sein. Darf ich Sie jetzt fragen, wo Sie in dieser Nacht waren?“
Plachutta wirkte wie ein Boxer, der eben einen harten Schwinger hatte einstecken müssen. Er taumelte leicht und zog dann den einzigen Sessel, der sich in der Küche befand, zu sich, um sich schwer angeschlagen auf die Sitzfläche plumpsen zu lassen. „Die Hanni“, stammelte er bloß, und Bronstein konnte
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