CIA: Die ganze Geschichte (German Edition)
gelandet. Aber beim Abflug waren sie immer leer und kamen mit Mühe und Not über den Bergkamm hinüber. Noch nie hatte jemand eine beladene C-46 aus Long Tieng heraus geflogen. Die Flugzeuge waren für den Transport von fünfunddreißig Passagieren ausgelegt. Mit der doppelten Zahl von Personen an Bord und Tausenden, die sich bei jedem Flug um die Plätze rissen, lief die Evakuierung langsam an.
In Bangkok erhielt Brigadegeneral Heinie Aderholt von der Luftwaffe, Chef des Unterkommandos der amerikanischen Armee in Thailand, am Morgen des 13.Mai den Anruf eines Unbekannten. General Aderholt, der zwanzig Jahre zusammen mit der CIA Luftoperationen durchgeführt hatte, leitete die einzige funktionsfähige amerikanische Einsatzgruppe, die es zu diesem Zeitpunkt in Südostasien noch gab. »Der Bursche nannte seinen Namen nicht«, erinnerte sich der General. »Er sagte, die USA ließen die Hmong in Long Tieng im Stich. Er sprach von ›im Stich lassen‹.« Der Unbekannte forderte Aderholt auf, eine viermotorige C-130 – ein mittelgroßes Frachtflugzeug – zur Rettung der Hmong loszuschicken. Aderholt stöberte einen amerikanischen Piloten auf, der im Flughafen von Bangkok in der Abflughalle saß und gerade die Heimreise antreten wollte, und bot ihm 5000 Dollar auf die Hand, wenn er die C-130 nach Long Tieng flog. Dann rief er den Vorsitzenden des Vereinigten Generalstabs der Streitkräfte, General George Brown, an, um sich die Operation genehmigen zu lassen. Am Nachmittag des gleichen Tages traf die C-130 in Long Tieng ein. Hunderte von Hmong gingen binnen weniger Minuten an Bord; das Flugzeug hob ab und kehrte am nächsten Morgen zurück.
Jerry Daniels von der CIA leitete die Evakuierung, spielte den Leibwächter für General Vang Pao, betätigte sich an der Landebahn als Flugkontrolleur und diente fünfzigtausend angsterfüllten Leuten als Rettungsanker. Daniels und Vang Pao ließen sich nicht vorwerfen, dass sie die Truppen und ihre Familien im Stich gelassen hätten. Als die C-130 am Morgen des 14.Mai zurückkam, stürzten Tausende von Hmong auf die hintere Frachttür los. Es herrschte Raserei und Verzweiflung. Vang Pao stahl sich fort zu einem wenige Kilometer entfernten Hubschrauberlandeplatz; Flugpersonal der CIA schaffte ihn weg.
Daniels organisierte einen Hubschrauber für sich selbst. Im Bordbuch liest man: »Alles befand sich im Aufruhr. (…) Wir hoben um 10 Uhr 47 ab, und das war das Ende des geheimen CIA-Stützpunkts bei Long Tieng in Laos.« Captain Jack Knotts, ein anwesender Vertragspilot, besprach ein Band, auf dem er die Erinnerung an die letzten Minuten des langen Kriegs in Laos festhielt. Daniels mit Aktentasche und einem Kasten Bier der Marke Olympia kam in seinem weißblauen Ford Bronco zum Landeplatz gefahren. Er stieg aus dem Auto und blieb dann wie angewurzelt stehen. »Er kommt nicht rein in die Mühle«, berichtete Knotts. »Er scheut noch vor dem Abflug zurück! Er holt seine Aktentasche vom Rücksitz und fängt dann an, ins Funkgerät zu sprechen. Er macht rum, macht ewig rum, und schließlich – und für ihn ist das eine ganz harte Sache, weil er so lange hier war – salutiert er. Er nimmt Haltung an, als salutiere er vor dem Jeep. In Wahrheit aber salutiert er vor den zehn oder fünfzehn Jahren Arbeit, die nichts gebracht haben.«
Richard Helms sprach in Bezug auf Laos von »dem Krieg, den wir gewonnen haben«. Schwer zu sagen, wie er das meinte. Ford und Kissinger erzwangen ein politisches Abkommen, das die kommunistische Herrschaft über das Land absegnete. »Und dann sind wir gegangen«, erklärte Dick Holm von der CIA, dessen fünfunddreißig Jahre dauernde CIA-Karriere in Laos begonnen hatte. Die Überlebenden der Hmong landeten in Flüchtlingslagern oder im Exil. »Ihre Lebensform ist vernichtet«, schrieb Holm. »Sie können nie mehr nach Laos zurück.« Die Vereinigten Staaten versäumten es ihm zufolge, »ihrer moralischen Verantwortung gegenüber denen gerecht zu werden, die in jenen stürmischen Jahren so eng mit uns zusammenarbeiteten«.
Jerry Daniels starb sieben Jahre nach der Evakuierung von Long Tieng in seiner Wohnung in Bangkok an einer Gasvergiftung. Er war vierzig Jahre alt. Niemand weiß, ob es ein Selbstmord war.
35 »Untüchtig und eingeschüchtert«
Die CIA wurde wie eine eroberte Stadt geplündert. Kongressausschüsse durchstöberten die Akten der Organisation, wobei sich der Senat auf die verdeckten Aktionen konzentrierte, während das
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