CIA: Die ganze Geschichte (German Edition)
abschaffen. Der Geheimdienst der CIA freilich sperrte sich gegen den Auftrag. Das Weiße Haus stieß mit seiner Anweisung, verdeckte Aktionen anzukurbeln, auf Widerstand von Seiten der Leiter der für die Sowjetunion und Osteuropa zuständigen Abteilung. Und dafür gab es einen Grund: Die Abteilung hatte einen wertvollen Agenten in Warschau, den sie schützen musste; sie wollte verhindern, dass die Menschenrechtsideale des Weißen Hauses ihn in Gefahr brachten. Ein polnischer Oberst namens Ryszard Kuklinski lieferte den Vereinigten Staaten einen ebenso tiefen wie anhaltenden Einblick ins sowjetische Militärwesen. Er war die höchstrangige Informationsquelle der CIA hinter dem Eisernen Vorhang. »Oberst Kuklinski war selbst nie ein CIA-Agent im eigentlichen Sinne«, sagte Brzezinski. »Er bot sich freiwillig an. Er agierte selbständig.« Seine Dienste hatte er den Vereinigten Staaten heimlich während eines Besuchs in Hamburg angeboten. Die Verbindung zu ihm aufrechtzuerhalten war schwierig; manchmal war sechs Monate lang am Stück von ihm nichts zu hören. Aber wenn Kuklinski nach Skandinavien oder nach Westeuropa reiste, gab er immer Bescheid. In den Jahren 1977 und 1978, ehe er in Verdacht geriet und in Warschau überwacht wurde, lieferte er Informationen darüber, wie die Sowjets im Falle eines Krieges alle Armeen Osteuropas dem Befehl des Kreml zu unterstellen beabsichtigten. Er berichtete der CIA, wie Moskau diesen Krieg in Westeuropa zu führen gedachte; die Pläne sahen den Einsatz von vierzig taktischen Atomwaffen allein gegen die Stadt Hamburg vor.
Von der Paranoia der Angleton-Ära befreit, begann die Sowjetabteilung hinter dem Eisernen Vorhang echte Spione anzuwerben. »Wir hatten uns von all den hochfliegenden, glorreichen Traditionen des OSS entfernt und waren ein Spionagedienst geworden, der im Ausland Informationen sammelte«, erklärte Haviland Smith von der CIA. »Mein Gott, wir konnten nach Ostberlin rübergehen, ohne geschnappt zu werden. Wir konnten Leute in Osteuropa anwerben. Wir suchten und rekrutierten Sowjetbürger. Das Einzige, was uns fehlte – wir hatten keine Informationen über die Absichten der Sowjets. Und wie man die kriegt, weiß ich nicht. Und allein darum geht es doch letztlich beim Geheimdienst . Hätten wir ein Mitglied des Politbüros anwerben können, hätten wir alles gehabt, was wir brauchten.«
Das Politbüro der späten siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts war eine Sammlung korrupter, klappriger Greise. Sein Imperium war gefährlich überdimensioniert und ging von innen heraus zugrunde. Der politisch ehrgeizige Chef des sowjetischen Nachrichtendienstes, Juri Andropow, schuf für seine Vorgesetzten, die Tattergreise im Kreml, das falsche Bild einer Supermacht Sowjetunion. Doch von dem Potemkinschen Dorf der Sowjets ließ sich auch die CIA täuschen. »Bereits ’78 erkannten wir, dass die sowjetische Wirtschaft in argen Schwierigkeiten steckte«, erklärte Admiral Turner. »Wir zogen daraus nicht den Schluss, den wir hätten ziehen müssen, den ich hätte ziehen müssen, dass die ökonomischen Schwierigkeiten politische Probleme zur Folge haben würden. Wir dachten, sie würden unter einem Regime à la Stalin den Gürtel enger schnallen und weitermarschieren.«
Die aus dem Bauch heraus getroffene Entscheidung Jimmy Carters, auf die Menschenrechtsprinzipien als weltweit durchzusetzende Normen zu pochen, galt vielen Leuten im Geheimdienst als bloße idealistische Geste. Dass er in bescheidenem Umfang die CIA einsetzte, um diese Schwachstelle im Eisernen Vorhang zu testen, bedeutete für den Kreml keine große Herausforderung. Dennoch provozierte er damit den Anfang vom Ende der Sowjetunion. »Tatsächlich hatte Carter die seit langer Zeit geltenden Regeln des Kalten Krieges geändert«, so das Fazit von Bob Gates.
»Dass aus einem Konflikt zwischen Schwarz und Weiß
einer zwischen Rot und Weiß wird«
Präsident Carter versuchte auch, mit Hilfe der CIA die Apartheid in Südafrika zu untergraben. Seine Einstellung veränderte den Kurs einer dreißig Jahre lang vom Kalten Krieg geprägten Außenpolitik.
Am 8.Februar 1977 gelangte der für die nationale Sicherheit zuständige Stab des Präsidenten im Lagebesprechungsraum des Weißen Hauses übereinstimmend zu der Ansicht, dass es für die Vereinigten Staaten an der Zeit sei, sich um eine Ablösung des rassistischen Regimes in Südafrika zu bemühen. »Es besteht die Möglichkeit, dass aus einem Konflikt zwischen
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