CIA: Die ganze Geschichte (German Edition)
denken und handeln. Wenn jemand einen Menschen in einem Keller in Kairo oder Quetta verhört, dann ist dieser Jemand ein ägyptischer oder pakistanischer Geheimdienstler. Der amerikanische Nachrichtendienst wird dessen Informationen, ohne größere rechtliche Bedenken zu äußern, übernehmen.«
Auf Bushs Geheiß begann die CIA als global agierende Militärpolizei zu fungieren, die Hunderte von Verdächtigen in Geheimgefängnisse in Afghanistan, Thailand und Polen sowie in das amerikanische Militärgefängnis Guantánamo auf der Insel Kuba warf. Sie übergab außerdem Hunderte von weiteren Gefangenen den Geheimdiensten in Ägypten, Pakistan, Jordanien und Syrien, um sie dort verhören zu lassen. Skrupel kannte sie keine mehr. In einer Ansprache anlässlich einer gemeinsamen Sitzung beider Häuser des Kongresses verkündete Bush den Amerikanern: »Unser Krieg gegen den Terror beginnt mit Al Qaida, er hört aber mit ihr nicht auf. Er wird weitergehen, bis jede terroristische Gruppe auf der ganzen Welt gefunden, unschädlich gemacht und besiegt ist.«
»Ich konnte mich dem nicht verweigern«
Auch zu Hause gab es Krieg, und die CIA war mit von der Partie. Nach dem 11.September wurde James Monnier Simon jr., dem Stellvertretenden Direktor des Zentralen Nachrichtendienstes, die Leitung der Sektion Inlandssicherheit anvertraut. Mit Justizminister John Ashcroft kam er zu einem Treffen ins Weiße Haus. Verhandelt wurde die Einführung von Personalausweisen für Amerikaner. »Was da hineinsollte? Na, ein Fingerabdruck«, sagte Simon. »Die Blutgruppe wäre nützlich und ebenso ein Bild von der Retina. Das Foto sollte auf eine bestimmte Weise aufgenommen werden, sodass man das Gesicht auch aus einer Menschenmenge heraus erkennen konnte, selbst wenn die Person verkleidet war. Eine Tonkonserve der Stimme wurde gebraucht, weil die Technologie bald so weit war, die Stimme auf jedem Handy der Welt identifizieren zu können. Die Stimme ist nämlich unverwechselbar. Und eigentlich wollten wir gern auch ein Stückchen von der DNS, sodass man die Leiche identifizieren konnte, wenn der Person etwas zustieß. Ach, und außerdem sollte es uns der Chip ermöglichen, den Ausweis zu orten, sodass er sich gegebenenfalls aufspüren ließ. Dann ging uns auf, dass wir, wenn wir all das in die Tat umsetzten, den Ausweis gar nicht mehr brauchten. Es reichte, wenn wir den Chip in den Blutkreislauf einspeisten.«
Wo wohl dieser Sicherheitswahn hinführen werde?, fragte sich Simon. Die Namen von Stalins und Hitlers Geheimdiensten kamen ihm wie von ungefähr in den Sinn. »So könnten wir tatsächlich als KGB, NKWD oder Gestapo enden«, sagte er. »Wir, das Volk, müssen wachsam sein und uns engagieren.« Aber ebendie Frage, worin die Wachsamkeit des amerikanischen Volkes bestehen sollte, warf Probleme auf. Die andere Frage war, was eigentlich ein Vertreter der CIA im Weißen Haus tat, wenn er dort die Verpflanzung von Mikrochips in die Körper amerikanischer Bürger diskutierte. Der Personalausweis wurde nie eingeführt. Aber der Kongress erteilte der CIA tatsächlich per Gesetz erweiterte Machtbefugnisse, um Leute in den Vereinigten Staaten zu bespitzeln. Die Organisation durfte jetzt nichtöffentliche Zeugenaussagen ohne vorherige richterliche Erlaubnis lesen und private Aufzeichnungen von Institutionen und Verbänden anfordern. Die CIA benutzte ihre Machtbefugnis, um Bank- und Kreditgeheimnisse amerikanischer Bürger und Gesellschaften bei Finanzinstituten abzufragen und sich übermitteln zu lassen. Noch nie hatte die CIA die Macht besessen, innerhalb der Grenzen der Vereinigten Staaten zu spionieren. Jetzt besaß sie diese Macht.
Kurz nach den Anschlägen des 11.September fragte Tenet General Michael Hayden, den Direktor der Nationalen Sicherheitsbehörde: »Gibt es sonst noch etwas, was Sie tun könnten?« »Nicht im Rahmen meiner jetzigen Befugnisse«, antwortete Hayden. Tenet »lud mich daraufhin ein, herüberzukommen und mit der Regierung darüber zu reden, was man außerdem tun könne«. Hayden kam mit dem Vorschlag, die Telefongespräche von Personen, die man des Terrorismus verdächtigte, innerhalb der Vereinigten Staaten ohne richterlichen Beschluss abzuhören. Das war einerseits illegal, andererseits nach dem Prinzip der »Gefahr im Verzug«, das die Möglichkeit eröffnete, Verdächtige ohne Rücksicht auf Zuständigkeitsbereiche und rechtliche Einschränkungen zu verfolgen, gerechtfertigt. Präsident Bush beauftragte ihn am
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