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CIA: Die ganze Geschichte (German Edition)

CIA: Die ganze Geschichte (German Edition)

Titel: CIA: Die ganze Geschichte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Weiner
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Terroristen mit biologischen oder chemischen Waffen auszustatten. Das brachte Tenet in eine Zwickmühle. Wenige Tage zuvor hatte sein Vertreter, John McLaughlin, in einer Anhörung vor dem Senatsausschuss für die Nachrichtendienste dem Präsidenten widersprochen. Auf Befehl des Weißen Hauses gab Tenet eine Erklärung heraus, in der es hieß: »Es gibt keinen Widerspruch zwischen unserer Einschätzung, dass die Gefahr durch Saddam wächst, und der Sicht, die in der Rede des Präsidenten zum Ausdruck kommt.«
    Das hätte er unter keinen Umständen sagen dürfen, und das wusste er auch. »Es war falsch von mir«, bestätigte Tenet fast vier Jahre danach. Während all seiner Dienstjahre war Tenet ein von Grund auf anständiger Mensch gewesen. Aber angesichts des enormen Drucks, unter dem er nach dem 11.September stand, wurde ihm seine einzige Schwäche, der verzehrende Wunsch, seinen Vorgesetzten zu gefallen, zum Verhängnis. Tenets Rückgrat brach und ebenso das der CIA. Unter seiner Führung lieferte die Organisation die schlechteste Arbeit in ihrer langen Geschichte ab: eine nationale Lageeinschätzung der CIA unter dem Titel »Der Irak produziert weiterhin Massenvernichtungswaffen«.
    Eine nationale Lageeinschätzung ist die qualifizierteste Beurteilung durch die amerikanischen Nachrichtendienste. Sie wird von der CIA geleitet und erstellt und vom Direktor des Zentralen Nachrichtendienstes autorisiert und genehmigt und anschließend verteilt. Er steht für sie ein.
    Die Lageeinschätzung war von Mitgliedern des Senatsausschusses für die Nachrichtendienste in Auftrag gegeben worden, die es für angebracht hielten, die Beweislage noch einmal zu überprüfen, bevor man in den Krieg zog. Gemäß ihrem Auftrag sammelten und überprüften die Analysten der CIA drei Wochen lang alles, was die Organisation mit Hilfe von Spionagesatelliten, ausländischen Spionagediensten, angeheuerten irakischen Agenten, Überläufern und Freiwilligen herausbekommen hatte. Im Oktober 2002 berichtete die CIA, dass die Bedrohung nicht kalkulierbar sei. »Bagdad besitzt chemische und biologische Waffen«, hieß es in der streng geheimen Einschätzung. Saddam habe seine Raketentechnik weiterentwickelt, einen großen Vorrat tödlicher Waffen angehäuft und sein Programm zur Herstellung von Nuklearwaffen wieder aufgenommen. »Wenn Bagdad genügend spaltbares Material von außerhalb bezieht«, so die Einschätzung, »könnte es innerhalb weniger Monate eine Atombombe herstellen.« Am erschreckendsten war die Warnung der CIA, der Irak könne chemische und biologische Anschläge in den Vereinigten Staaten durchführen.
    Die CIA bestätigte alles, was das Weiße Haus von sich gab. Damit bestätigte sie aber viel mehr, als sie wirklich wusste. »Wir hatten nicht viele irakische Informanten«, räumte Jim Pavitt, der Leiter des Geheimdienstes, zwei Jahre später ein. »Allenfalls eine Handvoll.« Aus einem Quäntchen Information erstellte die CIA tonnenweise Analysen. Das wäre noch akzeptabel gewesen, wenn es sich bei dem Quäntchen um reines Gold gehandelt hätte und nicht um wertloses Zeug.
    Die CIA als Institution wollte ihre Hand dafür ins Feuer legen, dass amerikanische Soldaten oder Spione nach der Invasion im Irak die Beweise liefern würden. Das war eine haltlose Spekulation. Sie hätte Richard Helms entsetzt, der am 22.Oktober 2002, als die Lageeinschätzung fertiggestellt war, starb. Als Anerkennung für seine Lebensleistung gab die CIA Teile einer Rede, die er Jahre zuvor gehalten hatte, neu heraus. Der Wortlaut des ganzen Textes ruhte in den Archiven der CIA, aber seine Bedeutung hatte sich nicht vermindert. »Es fällt uns manchmal nicht leicht, der heftigen öffentlichen Kritik standzuhalten«, sagte Helms. »Der Vorwurf mangelnder Effizienz ist eines; etwas ganz anderes ist der Zweifel an unserer Gewissenhaftigkeit. Ich denke, dass die Öffentlichkeit das Recht hat, uns als wichtiges Instrument der Regierung zu kritisieren (…), aber es schmerzt mich sehr, wenn in der öffentlichen Debatte unser Nutzen für die Nation herabgesetzt wird, indem man unsere Integrität und unsere Objektivität anzweifelt. Wenn man uns nicht mehr glaubt, sind wir nutzlos geworden.«
    »Wir konnten keine Antworten geben«
    Wenn man verstehen will, wie die CIA dazu kam, zu behaupten, dass es im Irak Massenvernichtungswaffen gebe, muss man sich an 1991 und an das Ende des ersten Golfkriegs erinnern. Auf den Krieg folgten sieben Jahre intensiver

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