Ciao Tao
gewesen sein. Damit war jetzt Schluß. Was uns nicht umbringt, macht uns nur härter. No guts, no glory. Ich dachte an Alwine. Und dann dachte ich an gar nichts mehr und verlor mich im gleichmäßigen Rhythmus des Laufens.
8.
Um 8.49 Uhr saß ich im D-Zug nach Düsseldorf. Ich war 35 Kilometer in 2,5 Stunden gelaufen, hatte nach dem Duschen festgestellt, daß mein Arm keinen Verband mehr brauchte, und fühlte mich wie neugeboren.
Um 10.00 Uhr saß ich mit Eckert, Sigi, Boris und seinen Blödis im Meeting-Room und war fest entschlossen, mir die gute Laune nicht nehmen zu lassen. Diese faulen Säcke waren gerade erst aus dem Bett gekommen. Ich hatte 35 Kilometer hinter mir. Ich hielt einen kleinen Vortrag über die umfangreichen und komplizierten konzeptionellen Überlegungen, die angeblich hinter diesem lächerlichen Jeans-Salesfolder standen. Dann stellte ich den Claim vor, der mir gleich beim ersten Meeting eingefallen war. Und dann präsentierte Sigi nacheinander die 12 Seiten unseres formidablen Machwerks.
Die Idioten waren hingerissen. Manchmal gelang es Sigi und mir eben doch, den alten Alchimistentraum zu realisieren. Wieder einmal aus Scheiße Gold gemacht.
Luigi servierte uns in der Mittagspause eine Lasagne mit Kaninchenfleisch. Dazu orderte ich eine Flasche Brunello.
»Hab heute nämlich Geburtstag«, erklärte ich Sigi, der meine leicht verschwenderische Bestellung bestaunte.
»Ich denke, du hast im Februar Geburtstag.«
»Stimmt. Im Februar auch. Aber ab sofort auch immer am 22. Oktober. Heute morgen habe ich mich nämlich entschlossen, dieses ominöse Attentat zu vergessen. Es war ein Zufall und wird nicht wieder vorkommen.«
»Bist du dir da sicher?«
»Sogar die Bullen sind da gleicher Meinung. Ich bin sicher, ja. So sicher, wie wir danach noch einen Grappa nehmen.«
»Die brauchen wir auch. Nachher ist ein Kamphausen-Meeting, soll ich dir ausrichten. Mit Eckert, Schulze und Brauer.«
»O Scheiße.«
»Happy birthday.«
»Ich nehme an, der Schulze hat euch schon alles vom Kamphausen-Rebriefing erzählt«, sagte Eckert in meine und Sigis Richtung. Schulze kramte hektisch in einem Papierstapel herum.
»Mir hat er nichts erzählt«, sagte ich.
»Dir, Sigi?«
»Nö. Warum sollte er uns auch was erzählen. Kamphausen ist doch nur einer unserer wichtigsten Kunden, und wir haben doch erst am Freitag Präsentation, warum soll er uns groß was sagen?«
»Genau, geht uns ja eh alles nix an.«
»Zieht hier nicht die große Ironie-Show ab«, sagte Eckert und sah angewidert zu Schulze rüber, der immer noch in seinem Papierhaufen wühlte und jetzt endlich zwei Blätter fand und sie Sigi und mir zuschob.
»Da sind die Besprechungsberichte«, seufzte er.
»Kamphausen wird mit К geschrieben, nicht mit C«, sagte ich.
»Darum geht’s doch wohl nicht, Herr Reinartz. Wenn Sie und Sigi ständig beim Italiener sind und keine Zeit für eine Besprechung haben, dann muß ich Ihnen ja alles schriftlich geben.«
»Dann geben Sie’s mir aber wenigstens rechtzeitig. Und was den Italiener betrifft, sollten Sie als notorischer Käsebrötchenfresser es lieber mit Wittgenstein halten: Wovon man nicht sprechen kann, darüber muß man schweigen.«
»Weshalb wir auch keine Käsebrötchen essen«, setzte Sigi fort. »Wovon man nicht brechen kann, darüber muß man speien.« Kein besonders gutes Wortspiel. Aber Sigi war ja auch kein Texter.
Eckerts Gesichtsfarbe ging plötzlich ziemlich gefährlich ins Rötliche über. Er stand auf.
»Hört jetzt endlich mit dem Scheiß auf. Es geht sehr wohl darum, daß Kamphausen in Ihrem Besprechungsbericht falsch geschrieben ist, Herr Schulze. Das zeigt nämlich nur die ganze Erbärmlichkeit Ihrer Arbeitsauffassung. Konzentrationslos, hektisch und uneffizient. Und als Kontakter ist es Ihre Aufgabe, auch mit den Kreativen Kontakt zu halten. Wie Sie das machen, ist mir egal. Kommen Sie mir bloß nicht mit so dämlichen Ausreden.« Er imitierte Schulzes nörgelnde Stimme. »Wenn Sie und Sigi immer beim Italiener sind...! Dann gehen Sie doch auch zum Italiener, Sie Versager! Und währenddessen geht die Kamphausen-Präsentation den Bach runter. Ich hab Dr. Caspari kurz unser Konzept vorgestellt, und wir liegen völlig daneben. Und die beiden hier wissen bis jetzt noch nicht mal was davon. Herr Reinartz und Herr Sigi machen in Ruhe den Jeans-Salesfolder, während unser wichtigster Etat wackelt. Wolfgang, sitz hier nicht so buddhamäßig rum, sag auch mal was dazu. Kamphausen
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