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Ciao Tao

Ciao Tao

Titel: Ciao Tao Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hen Hermanns
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Gästen fehlten offensichtlich die Worte. Bleich, peinlich berührt und unentschlossen starrten sie sich an. Einer faßte Mut, flüsterte den anderen irgendeine Durchhalteparole zu und schnitt todesmutig ein Stück von seinem Tafelspitz ab. Aber da rauschte auch schon wieder Renate unter vollen Segeln an den Tisch.
    »Ich habe Ihnen doch gesagt, Sie sind eingeladen. Dieses Restaurant ist nicht das Richtige für Sie. Sie verstehen unser Konzept nicht. Sie passen hier nicht hinein. Bitte gehen Sie endlich. Hopp-hopp!«
    Knodt grinste mich hilflos an. Diesmal hatte Renate Erfolg. Die verdatterten vier verließen das Lokal.
    »Ich brauche das für meinen Seelenfrieden«, erklärte Renate uns im Vorbeigehen.
    Ich sah Knodt fragend an.
    »Renate hatte ziemliche Probleme mit ihrem Ego«, erklärte er. »Da hab ich sie zu einem befreundeten Analytiker geschickt. Mit dem Erfolg, daß sie jetzt ganz offen ihre Gefühle äußern kann und ich diese Klitsche hier bald dichtmachen muß.«
    »Und zwar hopp-hopp, wenn die das jeden Abend macht«, vermutete ich.
    Was ich Knodt dann alles zu erzählen hatte, war natürlich nicht hopp-hopp zu erledigen, sondern erforderte Zeit und einige Grappe auf Kosten des Hauses. Er hörte mir gespannt zu und stieß kleine Rauchwölkchen aus. Selbstverständlich rauchte Knodt schon lange nicht mehr selbstgedrehte Zigaretten aus holländischem Halfzwaar. In seinen Kreisen ließ man drehen, und zwar in Havanna. Hin und wieder knipste er ein bißchen graue Asche auf seinen grauen Yamamoto-Anzug. Da, wo früher die Nickelbrille klemmte, die ihn immer aussehen ließ wie den jungen Trotzki, machte sich jetzt Designer-Kitsch breit. Aber hinter den Gläsern blitzten immer noch die verschmitzten Augen von früher, und als wir die Flasche Grappa halb geleert hatten, sagte er mir enthusiastisch jegliche Hilfe zu.
    Dann kamen wir unvermeidlich auf alte Zeiten zu sprechen, das Renate-Problem und irgendwelche amerikanischen Junk-Bonds tauchten noch auf, und irgendwann konnte ich nur noch die Taxizentrale anrufen und einen Wagen ins »Baschillikum« ordern.

11.

    Entsprechend dick war mein Kopf, als mich am nächsten Morgen um 6.00 Uhr der Wecker wachfiepste. Ich tastete mich ins Bad und warf zwei Aspirin ein (die gesündere Vitamin-C-Version natürlich). Laut Plan waren heute 15 Kilometer mit verschärftem Intervalltraining fällig. Ich ließ sie fallen.

    Um 9.30 Uhr war ich in der Agentur. Sigi war noch nicht da, aber er hatte gestern wohl tatsächlich noch lange gearbeitet. Die Layouts, die in seinem Zimmer herumlagen, sahen gut aus. Nur die eine oder andere headline würde ich noch ändern müssen. >Juckreiz kann jetzt nicht mehr kratzen<, konnte nicht mein Ernst gewesen sein. Suboptimal. Genauso wie mein Verhalten Alwine gegenüber. Es ist nicht schlecht, Jean-Gabin-Grimassen vor dem Spiegel zu schneiden. Aber da sollten sie auch bleiben.
    Ich ging in mein Zimmer und rief Alwine an. Ihre Stimme machte meine Knie weich. Nach dem Piepton legte ich leise auf. Die Hölle, Monsieur Sartre, das sind die Anrufbeantworter.

    Eckert platzte ins Haus und tobte sofort los.
    »Kann mal einer Kaffee machen! Und der Reinartz und der Sigi und der Wolfgang sollen kommen!«
    Mein Telefon klingelte. Ich hob nicht ab. Ich hatte die Stimme meines Herrn bereits vernommen. Da schlich auch schon Sigi auf leisen Sohlen in sein Zimmer und sammelte die Pappen ein. Wir trugen sie gemeinsam in den Meeting-Room.
    »Nicht schlecht, deine Layouts«, lobte ich meinen überraschten Art-Director. »Komisch, immer wenn ich mal wieder völlig die Hoffnung aufgegeben habe, überraschst du mich mit einem Hauch von Talent.«
    »Reinartz, Reinartz«, seufzte Sigi. »Dich sollte man wirklich abknallen.«
    Brauer saß bereits im Meeting-Room. Eckert ging unruhig auf und ab.
    »Wolfgang, was guckste mich so an?« fuhr er den übernächtigt aussehenden Brauer an. »Schlaf nicht ein. Zeig lieber mal, was du gemacht hast.«
    Brauer stellte 10 Pappen fein säuberlich nebeneinander auf einen dafür vorgesehenen schmalen Holzvorsprung, der aus der Wand ragte. Brauer reichte es nicht aus, Art-Director zu sein. Er bestand auch darauf, die Texte zu schreiben. Muß ich noch sagen, welche Qualität dabei herauskam? Eckert starrte entgeistert auf die Pappen. Dann schüttelte er den Kopf und sah Brauer traurig an. »Noch nie gesehen.«
    »>Das ultimative Mittel gegen Allergien«, las er mit affektiertem Ton, »fragen Sie Ihren Arzt nach AntiAllergen. <

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