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Ciara

Ciara

Titel: Ciara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Rensmann
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Unruhig wälzte sie sich hin und her, legte sich dann auf den Rücken und bedeckte die Augen mit einem Arm, als könne sie so eine Barriere zwischen ihrem Gehirn und der transparenten Boshaftigkeit schaffen, die sich mit der Atmosphäre vermischte.
    Er
musste sterben, damit sie Ruhe fand.
    Irgendwann hielt sie es nicht mehr aus, stand auf, ging zu ihrem Rucksack, den sie neben der Tür abgestellt hatte, holte das Tagebuch ihrer Mutter und setzte sich im Schneidersitz auf das Bett. Sie blätterte zu der Eintragung, die sie aufgefordert hatte, am siebten Januar zur Zeit ihrer Geburtsstunde die Waldlichtung aufzusuchen, wo sie gemeinsam mit ihrer Mutter schon so viele Rituale zelebriert hatte. Aber es war Ciara nicht gelungen, zu dieser frühen Morgenstunde die Lichtung zu erreichen und im silbernen Mondlicht ihre Reife und das Erbe ihrer Mutter zu empfangen.
    All das, was ihr als Kind selbstverständlich erschienen war, erweckte nun den Eindruck eines Traumes. Und ihre Träume? Gehörten sie zur Realität?
    Ein hohles Lachen hallte Ciara in den Ohren, das ihr eine Gänsehaut über den Körper schickte. Abrupt straffte sie den Rücken und blickte sich im Zimmer um.
Er
lachte sie aus! Wie gelang es ihm, in ihr Bewusstsein einzudringen, als sei er ein Parasit? Sie zitterte und hasste sich für diese Schwäche, die ihr genauso unbekannt gewesen war wie die von Angst erfüllten Emotionen.
    Das bösartige Lachen durchbohrte ihr Gehirn. Sie floh aus dem Bett, als hielte sich der Verursacher des Gelächters unter der Bettdecke versteckt. Obwohl sie zu wissen glaubte, dass er ihre Gabe missbrauchte, um sie in die Irre zu führen, drehte sie sich im Kreis. Sie horchte, legte den Kopf schief, erfasste mit ihren hektischen Blicken jede Ecke. Aber sie entdeckte niemanden. Wie nur gelang es ihm, ihr so nahe zu sein, wo sie doch ihre Sinne verschloss? Lag es an der Vergewaltigung? Hatte dieser Gewaltakt eine Verbindung zwischen ihnen entstehen lassen, die sie noch nicht zu kappen wusste?
    Erschöpft sank sie auf die Bettkante und schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn, als könne sie so den Spott vertreiben, der darin hallte. Sie bebte innerlich, fühlte das Pochen ihres Herzens und das Blut, das schneller durch ihre Adern rauschte. Sie wischte sich über ihre Unterarme, aber das unangenehme Gefühl blieb.
    Mit zu viel Schwung griff sie nach der Fernbedienung und fegte sie prompt vom Bett hinunter. Polternd landete sie auf dem Boden und rutschte ein Stück unter das Bett. Ciara beugte sich vornüber und versuchte, das schmale Plastik mit einer Hand zu erfassen. Sie tastete nach links, dann nach rechts, endlich erreichte sie die Fernbedienung und griff danach. Sie wollte den Arm zurückziehen, aber es gelang ihr nicht. Vor Entsetzen keuchte Ciara. Sie probierte es erneut, ohne Erfolg. Finger pressten sich spürbar um ihr Handgelenk.
    Die Angst hinderte sie daran, ihre Sinne zu öffnen, damit sie den Eindringling unter ihrem Bett sehen konnte. Derjenige, der sie verspottete, existierte doch nicht nur in ihrem Kopf, sondern hatte die ganze Zeit über in ihrem Zimmer gewartet.
    Direkt unter ihr!
    Unter dem Bett!
    Abermals zog sie ihre Hand zurück, doch wieder gelang es ihr nicht, sich zu befreien. Als sie spürte, wie ein Schrei in ihr emporkroch, biss sie sich ins Knie und entkrampfte so ihre Lungen. Ihre Gedanken rasten eine Achterbahn hinunter, drehten einen Looping, fanden jedoch keinen Ausgang. Schließlich gab es einen Ruck und die Gondel, die ihre Gedanken kutschierte, stoppte. Diese einzige Gelegenheit galt es nun zu nutzen. Einen lauten Befreiungsschrei ausstoßend, riss sie ihren Arm mit Wucht aus der Umklammerung des Unbekannten. Sie stürzte zur Tür. Dort blieb sie stehen und drehte sich um. Aber niemand stürmte hinter ihr her. Derjenige, der sie festgehalten hatte, lag noch unter dem Bett und wartete wie eine Muräne, um ihr im richtigen Augenblick den Todesstoß zu versetzen. Ciara sehnte sich danach, die Augen zu schließen und sich einem neuen Gefühl, das in ihr heranwuchs, hinzugeben: der Ohnmacht. Nein, sie durfte nicht aufgeben. Vorsichtig schlich sie dicht an die Wand gedrängt vorwärts, beinahe hätte sie ein Bild heruntergeworfen. Ihr Blick wanderte zwischen Bett, dem Tablett auf dem Tisch und dem Telefon daneben hin und her. Ohne Zwischenfälle erreichte sie den Tisch, legte die Fernbedienung darauf und ergriff das Fischmesser. Eine klägliche Waffe, aber zusammen mit ihren eigenen

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