Cigams Sündenfall
ganz oben.«
»Ach, sagen Sie doch Milena, das hört sich nicht so steif an. Ich nenne Sie auch beim Vornamen.« Sie wartete unser Einverständnis nicht erst ab, sondern sagte: »Also ein hohes Tier.«
»Richtig«, bestätigte Suko. »Costello ist in London der Boß aller Bosse. Er hat das Geschäft in der Hand. Er kontrolliert praktisch die gesamte Unterwelt…«
Während der Worte hatte es einige Male in den Augen der Frau geblitzt.
Suko mußte da wohl eine wunde Stelle getroffen haben, was auch ihr Nicken andeutete. »Ja, ich denke schon, daß dies eine Gefahr ist. Wir merken es ja auch. Die Mafia ist dabei, hier Fuß zu fassen. Erst vor sechs Wochen wurde ein Kollege von mir erschossen. Angeblich waren es Mafia-Leute. Wir haben den oder die Killer noch nicht ermitteln können. Man ging davon aus, daß sie aus dem Ausland kamen. Prag ist leider zu einer sehr wichtigen Stadt für das organisierte Verbrechen geworden. Von hier aus geht es schnell in den Osten, wobei ich an GUS-Staaten denke. Es ist viel in den letzten Jahren geschehen, der Wenzelsplatz ist für Touristen unsicher geworden, es passieren leider viele Überfälle. Die Prostitution hat sich wahnsinnig ausgeweitet, aber das wissen Sie ja. Sie wollen also diesen Logan Costello hier finden.«
»Unter anderem«, sagte ich.
Milena Novak zeigte uns ein feines Lächeln. »Ja, ich habe mir schon gedacht, daß da noch etwas anderes dahintersteckt.«
Ich erwiderte das Lächeln. »Was wissen Sie denn über uns? Darf ich das fragen?«
»Darauf habe ich sogar gewartet, John. So blauäugig bin ich natürlich nicht. Ich weiß schon, daß mir hier keine heurigen Hasen gegenübersitzen. Wie ich hörte, John, waren Sie schon hier.«
»Es liegt eine Weile zurück.«
»Nun ja, ich habe mich im Archiv umgesehen. Zwar hat sich bei uns vieles verändert, aber nicht alle Akten sind verschwunden, und die schwebenden Leichen von Prag sind deshalb nicht vergessen.« Ihr Blick wurde hart. »Könnte es sein, daß auch Ihr erneuter Besuch mit einem ähnlich gelagerten Fall zusammenhängt?«
»Das könnte sein«, gab ich zu.
»Dann stimmen meine Informationen doch.«
»Welche Informationen?«
»Die ich über Sie eingeholt habe. Man war, das sagte mir mein Vorgesetzter, in London ziemlich gesprächig. Ich weiß, daß Sie auch als Geisterjäger bezeichnet werden, und da sind Sie natürlich hier in Prag gerade richtig. Hier lebt man mit den Geistern, hier gibt es Spukhäuser und auch verfluchte Orte, da brauche ich nur an den alten jüdischen Friedhof zu denken. Unsere Geschichte hat ja auch, was Geister und Grusel angeht, einen gewissen Ruf. Denken Sie an den Golem des Rabbi Loew.«
»Sicher…«
Milena wunderte sich. »Sie sagen das mit einem so seltsamen Unterton in der Stimme.«
»Bewußt, meine Liebe, bewußt. Es könnte sein, daß uns der in diese Richtung führt.«
»Ach«, sagte sie nur und legte ihren Arm bequem auf das Rückenteil ihres Sessels. »Erzählen Sie doch mal.«
»Wir suchen eine Frau«, sagte Suko. »Wie heißt sie?«
»Das wissen wir nicht.«
Milenas Gesicht verdüsterte sich. »Soll ich jetzt lachen? Wahrscheinlich nicht, dazu ist die Sache bestimmt zu ernst.«
»Ja«, sagte ich. »Sie ist sehr ernst. Wie schon erwähnt, wir suchen eine Frau, deren Namen wir nicht kennen. Wir selbst haben sie auch nicht gesehen, wir können sie nur beschreiben. Es ist eine sehr schöne Frau. Man muß dabei von einer kalten Schönheit sprechen, Milena.«
»Ho, das hört sich an, als hätten Sie sich in diese Person direkt verliebt.«
»Gott behüte, das nicht. Aber hören Sie bitte zu. Diese Frau ist perfekt. Und noch einmal: Sie ist zu perfekt, um ein Mensch zu sein, obwohl sie so aussieht.« Den Satz ließ ich zunächst einmal im Raum stehen und wartete die Reaktion der Kollegin ab.
Sie erwiderte nichts, aber sie dachte scharf nach. »Zu perfekt für einen Menschen«, murmelte sie. »Soll ich daraus folgern, daß diese Unbekannte ein Unmensch ist?«
»Das könnte man sagen.«
»Oder wäre der Begriff des weiblichen Golems besser.«
»Genau.«
Milena Novak blieb relativ gelassen. Sie blies sich eine Haarsträhne aus der Stirn. Ihre Hände lagen auf den beiden Holzlehnen des Sessels, und wir stellten fest, daß sich ihre Finger leicht zuckend bewegten.
»Akzeptieren Sie dies, Milena?«
»Es fällt mir schwer…«
»Kann ich mir denken. Aber ich werde Ihnen noch etwas sagen.« So gut wie möglich beschrieb ich die Frau und natürlich auch ihre
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