Cinderella kehrt zurück
Zeit über alles Bescheid wusste und nie etwas gesagt hat“, staunte Eden.
Cam schüttelte bloß den Kopf und ging die Treppe hinunter zur Straße.
Unten stand schon ein Polizeiwagen: Ab sofort wurde Celeste auf Schritt und Tritt beobachtet.
„Warte kurz hier“, sagte Cam mit fester Stimme. „Ich rede mal eben mit dem Typen in dem Auto und erkläre ihm, dass er sie in Ruhe lassen soll. Dann fahre ich dich nach Hause und serviere dir einen ordentlichen Drink.“
10. KAPITEL
Zu Hause bei Eden bestellte Cam chinesisches Essen und schenkte ihr einen großen Martini ein. Dann zündete er ein Feuer im Kamin an. Sie machten es sich mit Sofakissen und einer Daunendecke direkt davor auf dem Boden bequem.
Das Essen schmeckte hervorragend, und der Drink löste Edens innere Anspannung. Inzwischen hatte sie sich ganz gut mit den Dingen arrangiert, die sie im Laufe des Nachmittags erfahren hatte.
Sie saßen sich gegenüber: Eden hatte den Rücken gegen das Sofa gestützt, Cam lehnte sich gegen den Kamin. Die Beine hatten sie lang ausgestreckt, sodass Edens Füße neben Cams Hüften lagen und umgekehrt. Cam hatte nur einen Martini getrunken, Eden nippte an ihrem zweiten Glas.
„Glaubst du, dass das stimmt, was Celeste über den Pfarrer gesagt hat?“, sagte Eden.
„Als Leslie ist sie immer sehr ehrlich gewesen … abgesehen davon, dass sie gar nicht Leslie war. Und wenn jemand behauptet, es hätte einen Zeugen gegeben, dann gibt es auch meist einen. Jedenfalls nach meiner Erfahrung bei der Polizei. Es kann bloß sein, dass der Zeuge das erst mal abstreitet.“
„Das finde ich in diesem Fall aber seltsam“, meinte Eden. „Warum hat der Pfarrer bis heute nicht ausgesagt, was damals passiert ist? Gerade wenn Celeste ihm das Leben gerettet hat?“
Cam zuckte mit den Schultern. „Zeugen, die lieber keine Zeugen sein wollen, haben meist ihre persönlichen Gründe dafür. Manchmal liegt es daran, dass sie die Sache doch noch ein bisschen anders erlebt haben als derjenige, dem es an den Kragen gehen soll. Ich bespreche das auf jeden Fall mit dem Pfarrer.“
„Damit musst du dich aber gedulden.“ Eden stellte ihren Martini weg, ihr wurde schon ganz flau im Kopf.
„Und warum?“
„Eve hat ihn am Freitagabend noch zur Bushaltestelle gebracht, darum sind wir auch erst so spät zu deinem Basketballspiel gekommen. Der Pfarrer ist zu einer Konferenz gefahren und ist da nicht mal telefonisch zu erreichen.“
„Na, so was.“ Cam runzelte die Stirn. „Hatte er das schon länger geplant, oder war das ganz spontan?“
„Das kann ich dir nicht sagen. Ich weiß bloß, dass er gerade nicht in Northbridge ist und erst in zehn Tagen wiederkommt.“
„Hm, das hält uns natürlich ziemlich auf. Und solange der Pfarrer Celeste nicht mit seiner Aussage entlastet, bleibt sie unter Beobachtung.“
„Die Frage ist natürlich, ob er sie überhaupt entlasten will“, gab Eden zu bedenken. „Ich glaube, Celeste braucht einen guten Anwalt.“
„Dann müssen wir eben zusehen, dass sie auch einen bekommt.“
Eden wusste zwar nicht, wen er mit „wir“ meinte, war aber sofort beruhigt.
Plötzlich wurde ihr klar, dass er in seiner Position eigentlich der Letzte war, den Celestes Verteidigung zu interessieren hatte. Und während sie darüber nachdachte, fiel ihr auf, wie menschlich er sich ihrer Großmutter gegenüber verhalten hatte. Er war völlig ruhig geblieben – freundlich, rücksichtsvoll und sensibel. Ganz anders als Alika früher.
„Bist du immer so?“, fragte sie ihn geradeheraus.
Er lächelte. „Wie meinst du das?“
„So wie jetzt gerade. So, wie du dich Celeste gegenüber verhalten hast. Du warst so nett zu ihr. Hast gar nicht versucht, sie einzuschüchtern.“
„Na ja, als ich noch in Detroit gearbeitet habe, musste ich schon mal etwas härter vorgehen“, gab er zu. „Aber hier ist das meistens nicht nötig. Erst recht nicht, wenn ich mich mit einer dreiundsiebzigjährigen Frau unterhalte, die ich schon mein ganzes Leben lang kenne.“
Eden betrachtete ihn lange und sah ihn dabei auf einmal in einem völlig anderen Licht. Vielleicht hatte sie ihn ja falsch eingeschätzt, vielleicht war er Alika doch nicht so ähnlich. Cam war zwar genauso beeindruckend kräftig gebaut und durchtrainiert und konnte, wenn es darauf ankam, auch sehr entschieden auftreten – aber innerlich war er deutlich ruhiger, ausgeglichener.
Und genau das schätzte sie an ihm.
„Ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich dich
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