Cinderella undercover
weiß?«
Mit dieser Aussage hatte sie leider meinen wunden Punkt getroffen.
»Wir haben der Fairness halber gelost…«, begann ich zu erklären und Paule nickte. »Ah, schon klar. Die Pechmarie hat mal wieder die Niete gezogen. Darauf hättest du dich nie und nimmer einlassen dürfen, du weißt doch, dass du bei so was immer verlierst.«
Ich seufzte. »Ich weiß, ich weiß. Aber wir haben vor dem Losen vereinbart, dass wir alle zwei Jahre im Rotationsverfahren tauschen werden. Außerdem glaube ich, dass Felicia sowieso nicht allzu lange hier wohnen wird, schließlich ist sie schon fast achtzehn.«
»Na, dann drücke ich dir mal die Daumen, dass sie bald den Mann fürs Leben findet und mit ihm an den Nordpol zieht.«
Wir grinsten beide. Seit Wochen machten wir uns darüber lustig, dass es für die Frauen der Familie Wolters offenbar nichts Wichtigeres im Leben gab, als sich einen reichen Mann zu angeln.
Was Stephanie betraf, so hatte es ja schon bestens geklappt. Paps zappelte nach wie vor wie ein verliebter Fisch an ihrer Angel, was ich immer noch nicht verstehen konnte.
»Kaum zu glauben, dass sich innerhalb eines guten Monats ein ganzes Leben um hundertachtzig Grad drehen kann«, sagte Paule kopfschüttelnd und schaute nun ebenfalls fasziniert aus dem Fenster. »Kaum hast du das erste Mal von Stephanie erfahren, ist sie auch schon deine Stiefmutter, dazu zwei Stiefschwestern und ein Umzug in einen ganz anderen Stadtteil. Da kommt man ja überhaupt nicht mehr hinterher. Ich bewundere dich wirklich, dass du das alles so tapfer mitmachst. Was meinst du: Werden die beiden womöglich auch noch heiraten?«
»Worauf du Gift nehmen kannst!«, knurrte ich. Ich gruselte mich schon allein bei der Vorstellung. Stephanie mit weißem Brautkleid und Schleier, Felicia und Kristen als Blumenmädchen… brrrrr…
»Worauf willst du Gift nehmen?«, ertönte wie aufs Stichwort Kristens Stimme an der Tür. Sie hielt immer noch anklagend ihren Finger in die Luft und behauptete, sein Umfang hätte sich innerhalb der letzten Stunde mindestens verdreifacht.
»Tja, wenn das so ist, müssen wir dich wohl schnell in die Fleetklinik bringen und eine Notoperation durchführen lassen«, stellte Paule mit dermaßen ernster Miene fest, dass ich Mühe hatte, nicht laut loszuprusten.
»Meinst du wirklich?«, fragte Kristen und riss erstaunt die Augen auf.
»Schätzchen, die Fleetklinik ist spezialisiert auf Schönheits-OPs«, mischte sich nun Stephanie ein, die anscheinend beschlossen hatte, hier oben zu überprüfen, was die Umzugsleute mit ihren Kronleuchtern und dem Tafelsilber angestellt hatten. »Aber zeig mal, was ist denn passiert?«
Beim Anblick von Mutter und Tochter, die sich mit einer Ernsthaftigkeit Kristens Verletzung widmeten, als hätte sie eine lebensbedrohliche Krankheit, zog sich alles in mir zusammen. Was hätte ich darum gegeben, auch noch eine Mutter an meiner Seite zu haben, die immer für mich da war, egal was passierte. Diese Mutter übertrieb es allerdings ein bisschen mit ihrer Fürsorge. Paule jedenfalls war schon wieder kurz vor einem Lachanfall. Schnell griff ich nach ihrem Arm und sagte: »Lass uns mal was zu trinken holen, ich habe Durst.«
In der Küche öffnete ich uns eine Dose Cola, während Paule weiter mit ihrer Hand vor meiner Nase herumwedelte und dabei fürchterliche Stöhnlaute von sich gab. Dann rollte sie auf einmal wild mit den Augen und sackte auf dem Boden zusammen. »Coole Performance, solltest du dir für die Aufnahme an der Stage School merken!«, sagte ich anerkennend und reichte Paule, die sich immer noch theatralisch auf dem Boden krümmte, die Cola.
»Das ist überhaupt NICHT lustig«, rief Stephanie und schob die ebenfalls lautstark stöhnende Kristen in die Küche. »Macht mal Platz, ich möchte meiner Tochter Eis aus dem Kühlfach holen.«
Das musste sie uns nicht zweimal sagen. Unter lautem Gejohle liefen wir zurück in mein Zimmer. Dort ließen wir uns immer noch prustend auf das Parkett sinken.
»Ich bin ja mal gespannt, wie lange das mit euch gut geht«, sagte Paule, nachdem wir uns wieder halbwegs eingekriegt hatten.
Ich auch , dachte ich, als ich spätabends endlich im Bett lag, um mich herum immer noch ein Meer von unausgepackten Kartons.
Langsam war ich die ganzen Überraschungen, die das Leben in letzter Zeit so für mich bereithielt, leid. Ich hatte keine Lust mehr zu versuchen, immer das Beste aus einer Situation zu machen, die ich mir weder gewünscht noch
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