Cinderella undercover
überreagiert? Hätte ich freundlicher sein sollen?
»Diese Frage kann ich nicht mit einem simplen Ja oder Nein beantworten. Ich weiß im Grunde kaum etwas über Stephanie. Aber sie ist mir halt einfach etwas zu künstlich und immer nur krampfhaft bemüht, happy Family mit uns zu spielen. Sie sollte sich einfach mal ein bisschen lockermachen.«
»Aber vielleicht ist genau das gar nicht so einfach für sie. Die ist doch bestimmt total unsicher. Das alles hier ist doch für sie auch nicht so easy. Versetz dich doch mal in ihre Lage: Du verknallst dich in einen Mann, dessen Frau gerade erst gestorben ist. Du musst dich mit seiner bockigen Tochter arrangieren, die in dir Konkurrenz sieht, und sollst gleichzeitig auch noch deine eigenen Mädels bei Laune halten. Und die sind natürlich genauso eifersüchtig und haben Angst, dass ab jetzt alles anders laufen wird, als sie es gewohnt sind.« Ich zog meine Stirn kraus und überlegte.
»Hm, ich weiß nicht so recht. Das mag ja alles sein, aber die drei gehen mir trotzdem ziemlich auf die Nerven. Außerdem führen sie sich ständig auf, als sei es meine Aufgabe, ihnen hinterherzuputzen. Die haben die Vorstellung, dass Waschmaschinen und Geschirrspüler sich von alleine leeren und Lebensmittel in Kühlschränken automatisch nachwachsen. Was mich betrifft, sollen sie mich einfach in Ruhe lassen, sich an ein paar Spielregeln halten und gut… So, Themenwechsel! Hast du Lust, demnächst mit mir in die Galerie der Gegenwart zu gehen?«
»Hab ich, Liebchen, aber nur unter der Bedingung, dass wir uns jetzt wirklich ein bisschen über mein Logo unterhalten. Ich bin nämlich noch nicht hundertprozentig glücklich damit und da du ja quasi vom Fach bist…«
Mein Herz schlug sofort ein paar Takte schneller. »Ist das wirklich dein Ernst? DU willst, dass ICH dich bei deinem Logo berate? Wir sehen uns doch heute erst zum zweiten Mal.«
»Ich glaube, es war kein Zufall, dass wir uns über den Weg gelaufen sind. Schließlich sind wir so was wie Soulmates, findest du nicht?« Ich war ganz gerührt. Aber es stimmte. Auch ich hatte das Gefühl, ihn schon immer zu kennen…
Als ich abends im Bett lag und über den Tag nachdachte, konnte ich mein Glück kaum fassen. GG und ich hatten mehrere Stunden über seinem Logo gebrütet, und als ich schon dachte, ich würde vor Müdigkeit vom Stuhl kippen, hatte ich endlich die zündende Idee. Und als Dankeschön für meine Hilfe versprach GG mir, einen Teil seines Ateliers für mich frei zu räumen, damit ich dort ungestört malen und mich austoben konnte, wie er es nannte. Wenn ich wollte, konnte ich schon am Dienstag mit meinen Sachen vorbeikommen, juhu!
11.
Angespornt von GGs Unterstützung, fasste ich einen Entschluss: »Ich werde mir einen Job suchen«, verkündete ich Paule am Telefon, kaum war ich am Dienstag von der Schule nach Hause gekommen.
»Aber ich denke, du brauchst deine ganze Zeit zum Malen«, entgegnete sie verdutzt.
»Ja, tue ich auch. Aber ich brauche auch Geld, um meine Leinwände, die Farben und das alles zu kaufen. Bis jetzt habe ich ja nur so vor mich hin gewurstelt, aber GG meinte, es wäre jetzt Zeit, das Ganze etwas professioneller anzugehen und mir eventuell sogar einen Privatlehrer zu suchen. Und das alles kostet nun mal mehr, als ich an Taschengeld bekomme.«
»Kann dein Vater dir denn nicht helfen? Er ist doch so begeistert von deinen Bildern«, fragte Paule und ich hörte im Hintergrund etwas, das nach dem Klackern einer Tastatur klang.
»Bist du gerade am Computer?«, fragte ich, denn wenn ich eines nicht leiden konnte, dann wenn Leute beim Telefonieren simsten, bei Facebook online waren oder etwas anderes machten, das ihre Aufmerksamkeit absorbierte.
»Äh, ja, sorry«, antwortete Paule kleinlaut. »Ich chatte gerade mit Enrico.«
»Nanu? Wieso das denn? Ihr seht euch doch zweimal die Woche im Tanzstudio.«
»Ja, schon…«, antwortete sie gedehnt, was bei mir sofort alle Alarmsignale aktivierte.
»Hast du jetzt doch was mit ihm?«
»Irgendwie… schon…«, stammelte Paule und klang dabei etwas zerknirscht. Aber ich freute mich riesig für sie.
Schließlich hatte ich mir seit über einem halben Jahr anhören müssen, wie toll Enrico war, was für ein grandioser Tänzer, einfühlsamer Lehrer und genialer Tanz-Choreograf.
»Und wieso klingst du dann, als sei das eine mittlere Katastrophe? Du bist doch total verknallt in ihn. Freu dich doch!«
»Bin ich ja auch, aber da ist noch… da ist noch
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