Cinderella undercover
waren.
Sie wären bestimmt stolz gewesen, wenn sie mich so gesehen hätten. Ich lief bis zum Ende des Laufstegs, poste wie ein Profi, wurde dann aber unvermutet von einer Kamera geblendet. Als ich mich umdrehte, um zurückzugehen, machte ich einen falschen Schritt und fiel – was konnte einem auf dem Laufsteg Schlimmeres passieren? – der vollen Länge nach hin. Ehe ich mich aber versah, war ich schon wieder auf den Beinen, und zwar mithilfe von Daniel höchstpersönlich. Er begleitete mich bis hinter die Bühne und bestand darauf, dass ich mich setzte und meinen Knöchel untersuchte. Mit hochrotem Kopf tastete ich meinen Fuß ab und kam schließlich zu dem Ergebnis, dass ich Glück gehabt hatte. »Nichts weiter passiert, du kannst dich wieder um die Veranstaltung kümmern«, informierte ich Daniel, der allerdings nicht besonders überzeugt aussah. Auch GG war ganz aufgeregt und hüpfte um mich herum, wie ein aufgeregtes Huhn. »Kannst du das bitte lassen, du machst mich ganz nervös«, schimpfte ich.
Ich konnte es immer noch nicht glauben, dass ich den Walk auf fünfzehn Zentimeter hohen Absätzen heil überstanden hatte, um dann an einem blöden Kamerablitz zu scheitern. »Ich bin so aufgeregt, ich bin so aufgeregt«, rief GG und erinnerte mich jetzt doch eher ein bisschen an Rumpelstilzchen. »Liebchen, ich danke dir von Herzen, dass du mir geholfen hast. Das werde ich dir nie vergessen.« Zum Glück kam Sarah in diesem Augenblick. Sie war wahrscheinlich die Einzige, die Gernot wieder ein bisschen runterholen konnte. »Hier, trink das«, sagte sie und hielt ihm ein Glas vor die Nase. »Da ist Baldrian drin.« Hinter Sarah tauchte ein traumhaft gut aussehender Typ auf, der sie innig umarmte und schwer verliebt aussah. »Du bist super gelaufen, Süße!«, lobte er und nickte anschließend mir zu. »Du aber auch. Deine kleine Panne hat den Auftritt nur noch authentischer und charmanter gemacht.«
»Darf ich bekannt machen«, erwiderte Sarah, die sich aus der Umarmung gelöst hatte und ihrem Freund einen Kuss gab: »Das ist mein Freund Felix und dies ist Cynthia, GGs beste Freundin. Ihre Freundin Pauline ist übrigens mit Leopold zusammen.« Felix sah in etwa so verwirrt aus, wie ich heute Mittag, als Leo versucht hatte, mir klarzumachen, wer wen woher kannte. »Sarah hat mir erzählt, dass diese tollen Sprayer-Motive von dir stammen?«, fragte er und ich nickte. »Wenn es so was auch für Männer gibt, würde ich gern ein Shirt kaufen.«
»Sag das lieber nicht zu laut, sonst dreht hier gleich jemand völlig durch«, grinste ich mit einem Blick auf GG, der seinen Tee mit großer Ernsthaftigkeit trank und offenbar darauf wartete, dass endlich die Wirkung des Baldrians einsetzte.
»Wenn ihr den Rest der Show sehen wollt, müsst ihr jetzt mitkommen«, mischte sich nun Daniel wieder in unser Gespräch und dirigierte uns in die letzte Reihe des Zuschauerraums, wo eine Reihe freier Sitze mit unseren Namen gekennzeichnet war. Ich setzte mich neben GG und hielt seine Hand, während fünf weitere Designer ihre Kreationen zeigten. Einer übrigens besser als der andere… unglaublich, was Hamburg an jungen Talenten zu bieten hatte.
Schließlich war es so weit, die Jury hatte entschieden.
Diesmal stand Daniel zusammen mit seiner Mutter auf der Bühne, um den Gewinner bekannt zu geben. »Die dreißigtausend Euro Preisgeld gehen an… den Designer Gernot Gernsbach für The-Famous-GG-Designs!«, verkündete Frau Petersen strahlend.
GG stieß einen spitzen Schrei aus, sprang vom Sitz, riss seine Arme in die Höhe und jubelte dermaßen ungeniert, dass Sarah und ich ihn wieder zurück auf seinen Sitz ziehen mussten. »Hast du zufällig auch K.-o.-Tropfen dabei?«, flüsterte ich ihr zu, während GG immer wieder den Kopf schüttelte und ununterbrochen »Ich fass es nicht, ich fass es nicht« murmelte. Nachdem die beiden anderen Sieger gekürt worden waren, musste GG auf die Bühne, um den Scheck entgegenzunehmen. Die Kameras blitzten und beleuchteten sein Gesicht, das ein einziges Strahlen war. Ich konnte mich nicht erinnern, jemals einen Menschen so glücklich gesehen zu haben.
»Komm, ich mach dich mit den sieben Zwergen bekannt«, sagte Sarah, nachdem die Preisverleihung zu Ende war. »Sieben Zwerge?!?«, fragte ich verwundert und glaubte, mich verhört zu haben. Sarah grinste. »Das sind die sieben Kerle, mit denen ich im Karolinenviertel zusammen in einer WG wohne. Sie nennen sich so, weil sie zusammen in den
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