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Circulus Finalis - Der letzte Kreis

Circulus Finalis - Der letzte Kreis

Titel: Circulus Finalis - Der letzte Kreis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tarek Siddiqui
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vielstelliger Primzahlen basierenden Verschlüsselungsverfahren. Ich verstand immerhin genug von der Sache, um zu wissen, dass die Entzifferung eines Geheimalphabets in einer unbekannten Sprache für Amateure keine Kleinigkeit war. Wenn die Kollegen scheiterten, war die Geschichte zu Ende.
    Metz allerdings machte bereits Plä ne. „Dann frage ich Härting. Der hat Latein gelernt, glaube ich, um die Fachbegriffe besser zu verstehen.“ Er seufzte kurz. „Begreife sowieso nicht, warum der nicht Medizin studiert hat. Könnte statt als Sani jetzt als Doc am Heli sitzen, ist ziemlich sicher klüger als die meisten. Abi hat er auch.“ Er seufzte wieder, so als bedrücke ihn die berufliche Situation des Kollegen. Oder etwas anderes.
    „ Aber?“
    „ Aber – es ist nur, ich weiß nicht, wie er zu der Sache steht. Wer weiß, was der Text enthält. Kann ich ihm das anvertrauen?“
    Ich ü berlegte einen Moment lang. Härting war, soweit ich ihn kannte, in allem so perfekt, dass es abwegig schien, er könne sich auf etwas derartig Obskures einlassen. Aber ich kannte ihn privat so gut wie gar nicht. Metz Worte über Härtings Eignung als Arzt im Hinterkopf, überlegte ich, was ihn bewogen haben mochte, statt eines Medizinstudiums ohne Umwege den Rettungsdienst anzustreben. Geld. Mangelndes Selbstvertrauen passte eigentlich nicht zu ihm, war aber, in jüngeren Jahren, durchaus vorstellbar. Vielleicht aber wirklich Berufung, die Überzeugung, dass Notfallrettung genau das Richtige für ihn sei? Oder der Wunsch, lieber in einem Beruf mit geringeren Anforderungen perfekt zu sein, statt in einem anderen nur sehr gut oder gut? Eines wurde mir in jedem Fall klar: Meine Erfindung beinhaltete ein elitäres Element, das unter Umständen eine gewisse Anziehungskraft auf ihn ausüben konnte. Zu Metz, der geduldig auf meine Antwort wartete, sagte ich, dass er Härting vertrauen könne.
    Es kam ihm nicht in den Sinn, an meinem Urteil zu zweifeln. „ Dann ist das entschieden.“

    Wie die anderen dachten, fand ich in den nächsten Tagen heraus. Wegmann machte es mir einfach: Seine weit in den Höhlen liegenden Augen glühten, als er mich vorsichtig auf das Thema ansprach. Woher ich das alles wüsste. Es gäbe Überlieferungen, blieb ich vage, und deutete an, dass Metz einen derartigen Text besitze, um die Geschichte auf eine breitere Grundlage zu stellen.
    Er schü ttelte den Kopf. „Zu Silvester hatte ich ein merkwürdiges Gefühl. Ich war mir sicher: Das wird ein besonderes Jahr.“
    Ich spü rte einen kleinen Stich. Schon seit meiner Kindheit verfolgte ich die üblichen Neujahrsrituale und –vorsätze mit Unverständnis; doch wollte ich wirklich derjenige sein, der die Zukunftserwartungen anderer enttäuschte? Aber für solche Überlegungen war die Angelegenheit schon zu weit fortgeschritten, und im Grunde war eine der Motivationen für meine Erfindung ja gerade die Abneigung gegen diese vagen Ahnungen, an die man sich nur dann erinnerte, wenn sie zufällig eintrafen.

    Das bedarf vielleicht noch einer Präzisierung. Eine echte Intuition ist etwas Wunderbares und kann bedeuten, dass eine komplexe Situation ganzheitlich erfasst und erkannt wird, ohne dass dieser Prozess einer Analyse im Einzelnen zugänglich wäre.
    Etwas Ä hnliches geschah mir, als ich an einem dieser noch immer eisig kalten Januartage mit Anska von einem Krankentransport zurückkehrte. Er war das letzte Stück gefahren, und es war spät inzwischen, dunkel bis auf das den Hof der Wache erhellende Flutlicht. Der Schlüssel für das Rolltor der Garage hing mit dem Autoschlüssel an einem Bund, also stellte er den Motor ab und gab mir den Schlüssel, ich stieg aus und setzte den elektrischen Mechanismus des Tores in Gang.
    Das Auto stand mit dem Heck zum Tor. Gelangweilt und ohne sich umzusehen, hielt Anska den linken Arm mit der ausgestreckten Hand nach oben aus dem Fenster. Wir waren beide mü de. Ich war sogar so müde, dass ich mir wünschte, die fünf Meter zum Führerhaus nicht mehr zurücklegen zu müssen, und für einen Moment dachte ich nicht weiter und warf den Schlüssel.
    Schon im nä chsten Augenblick erschien mir die Idee weniger gut. Ich war nie ein besonders guter Werfer gewesen, und es war ausgeschlossen, dass ich Anskas Hand, auf diese Entfernung und im Halbdunkel, treffen konnte. Da er den Schlüssel nicht kommen sah, würde er ihn auch nicht versuchen, zu fangen; selbst wenn ich traf, konnte der Bund unmöglich in seiner Hand liegen bleiben.

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