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Circus

Circus

Titel: Circus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alistair MacLean
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müssen mir schon ein wenig Bedenkzeit einräumen.«
    »Hören Sie, Dr. Harper, ich weiß, daß Sie der Boß sind, aber hier und jetzt sind nicht Sie derjenige, auf den es ankommt. Ich bin es. Ich bin derjenige, der sein Leben aufs Spiel setzen muß, um in die ›Lubylan‹ reinzukommen – und auch wieder raus. Nicht Sie. Sie sitzen in Sicherheit und werden, wenn ich erwischt werde, leugnen, irgend etwas von der Sache zu wissen. Ich bitte Sie diesmal nicht, ich verlange den Sprengstoff!« Sein Blick wanderte voller Abscheu über seinen Anzug. »Andernfalls können Sie dieses Ding hier anziehen.«
    »Ich wiederhole, ich brauche Bedenkzeit.«
    »Ich kann warten.« Bruno stützte sich mit den Ellbogen auf den Sargdeckel. »Ganze fünf Sekunden! Ich werde mitzählen. Wenn ich nach Ablauf dieser fünf Sekunden keine Antwort habe, werde ich diesen verdammten Anzug ausziehen und zum Circus zurückgehen. Und für diesen Fall möchte ich Ihnen für den Einbruch in die ›Lubylan‹ recht viel Glück wünschen. Und ich möchte Ihnen auch Glück für die Erklärung wünschen, die Sie dann der Polizei geben müssen, weil Sie mich irrtümlich für tot erklärt haben. Eins. Zwei. Drei.«
    »Das ist Erpressung.«
    »Natürlich. Vier.«
    »Also gut, also gut, Sie sollen das Zeug haben.« Harper dachte nach und fuhr dann vorwurfsvoll fort: »Ich muß sagen, ich habe soeben eine Seite Ihres Charakters kennengelernt, die Sie bis dahin nie gezeigt haben.«
    »Ich habe mir die verdammte ›Lubylan‹ vorher nie genau angesehen. Aber jetzt habe ich es getan, und jetzt kenne ich meine Chancen. Bitte geben Sie Maria den Sprengstoff morgen im Wagen mit. Weiß Wrinfield, daß der Unfall heute abend nur fingiert war?«
    »Natürlich.«
    »Sie haben ganz schön viel riskiert, indem Sie Sergius mit hierher brachten.«
    »Abgesehen davon, daß er darauf bestand, mitzukommen, hätte ich viel mehr riskiert, wenn ich ihn nicht mitgenommen hätte, denn dann wäre er vielleicht mißtrauisch geworden.«
    »Und jetzt ist er es nicht? Mißtrauisch, meine ich.«
    »Ich glaube nicht.«
    »Geld?«
    »In der anderen Innentasche.«
    »Draußen friert es Stein und Bein.«
    »Im Wagen liegt ein schöner, warmer Mantel.« Dr. Harper lächelte. »Er wird Ihnen gefallen.«
    Bruno nickte und klopfte auf den Sargdeckel. »Was wird damit?«
    »Er wird das erforderliche Gewicht erhalten und im Lauf der Nacht zugeschraubt werden. Wir werden Sie am Montagmorgen beerdigen.«
    »Kann ich mir einen Kranz schicken?«
    »Das wäre wohl nicht ratsam.« Harper lächelte dünn. »Aber Sie können sich natürlich unauffällig unter die Trauergäste mischen.«
    Vierzig Minuten später war Bruno in seinem Hotelzimmer und packte den Koffer aus, wobei seine Augen immer wieder zu dem schönen warmen Mantel wanderten, den Harper so fürsorglich für ihn beschafft hatte. Er war aus dickem, angerauhtem Nylon, hatte weiße und schwarze Senkrechtstreifen und sah aus wie ein Zwanzig-Dollar-Chinchilla. Unbestreitbar war er der einzige Mantel dieser Art in Crau und wahrscheinlich auch im Umkreis von mehreren hundert Meilen, und das Aufsehen, das Bruno damit erregt hatte, als er quer durch die Hotelhalle zur Rezeption geschlendert war, war mehr als beachtlich gewesen. Da er den Mantel auch noch sorglos offen getragen hatte und man somit die kühnen Farben seines Anzugs in voller Pracht genießen konnte, war es verständlich, daß kaum einer der Anwesenden sich für sein Gesicht interessiert hatte.
    Bruno machte das Licht aus, zog die Vorhänge auf, öffnete das Fenster und beugte sich hinaus: Sein Zimmer lag nach hinten heraus und bot eine herrliche Aussicht auf eine von Lagerhäusern gesäumte Gasse. Die Dunkelheit war zwar nicht völlig undurchdringlich, aber doch beinahe. Weniger als anderthalb Meter von ihm entfernt war die Feuerleiter angebracht, was ihm ein leichtes und – in Verbindung mit der dunklen Gasse – unbemerktes Verlassen des Hotels ermöglichte. Die Gegebenheiten waren schlechthin ideal.
    Entsprechend Dr. Harpers Anordnung, sich sehen zu lassen, ging Bruno zum Abendessen in den Speisesaal hinunter. Unter dem Arm hatte er eine Ostberliner Zeitung vom selben Tag, die er in seinem Koffer vorgefunden hatte: Für Harper war selbst das unscheinbarste Detail von Wichtigkeit. Woher er das Blatt hatte, konnte Bruno nicht feststellen. Sein Erscheinen verursachte zwar keinen Tumult – die Bürger von Crau und die Hotelgäste waren für so etwas viel zu wohlerzogen –, aber

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