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Circus

Circus

Titel: Circus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alistair MacLean
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hörte der Ingenieur nun sogar trotz seiner Ohrenschützer. Er wirbelte in seinem Drehstuhl herum, aber es blieb ihm nur der Bruchteil einer Sekunde, um drei vage Silhouetten wahrzunehmen, die vor dem Kontrollraum standen, denn dann traf ihn der Griff von Manuelos Messer bereits an der Stirn.
    Bruno griff durch das Loch in der Glasscheibe und drehte den Schlüssel um. Sie betraten die Kontrollkabine, und während Kan Dahn und Manuelo den bewußtlosen Ingenieur verschnürten, sah Bruno sich die Aufschriften auf den Unterbrechern an. Dann wählte er einen bestimmten aus und riß den Hebel um neunzig Grad nach unten.
    »Bist du sicher?« fragte Kan Dahn.
    »Natürlich. Er ist doch gekennzeichnet.«
    »Und wenn du dich irrst?«
    »Dann werde ich gegrillt.«
    Bruno setzte sich in den Drehstuhl, zog seine Schuhe aus und ersetzte sie durch die Segeltuchschuhe, die er bei seiner Arbeit auf dem Drahtseil trug. Seine eigenen Schuhe gab er Kan Dahn, der fragte: »Hast du eine Maske, eine Kapuze?«
    Bruno schaute an seinem grell gemusterten Anzug und auf seine senfgelben Socken hinunter und antwortete mit einer Gegenfrage: »Du meinst, wenn ich eine Maske trage, wird mich keiner erkennen?«
    »Das hatte ich nicht bedacht.«
    »Mir ist es außerdem egal, ob ich erkannt werde oder nicht. Wenn die Sache hier erledigt ist, werde ich sowieso nicht mehr länger in dieser Gegend bleiben. Aber es ist wichtig, daß du, Manuelo und Roebuck nicht erkannt werdet.«
    »Die Show muß weitergehen, nicht wahr?«
    Bruno nickte und ging den anderen voran aus dem Gebäude. Weil er sehen wollte, wie lange die Wirkung der Betäubungsgeschosse anhielt, beugte er sich über den Dobermann, untersuchte ihn und richtete sich langsam wieder auf. Anscheinend unterschied sich das Nervensystem eines Dobermanns ganz entschieden von dem eines Menschen – dieser Dobermann war jedenfalls mausetot.
    Mehrere Hochspannungsmasten von etwa vierundzwanzig Metern Höhe standen auf dem Gelände innerhalb des Zaunes verstreut. Bruno ging zu dem am westlichsten stehenden und begann daran hochzuklettern. Kan Dahn und Manuelo verließen das Gelände durch das Loch im Zaun.
    Der Hochspannungsmast stellte kein Problem dar. Obwohl die Nacht sehr dunkel war – der Mond war immer noch von Wolken verdeckt –, stieg Bruno mit nicht mehr Anstrengung an dem Mast empor als ein normaler Sterblicher bei Tageslicht eine Treppe. Als er die oberste Querstange erreicht hatte, nahm Bruno das Bündel Stäbe von der Schulter, entfernte die Schnur, die sie zusammengehalten hatte, steckte sie in die Tasche und schraubte die drei Stücke fest aneinander. Und damit war seine Balancierstange fertig. Er streckte die Hand nach dem dicken Stahlkabel aus, das von diesem Mast aus zur Südostecke der ›Lubylan‹ führte. Einen Augenblick zögerte er, kam aber dann zu dem Schluß, daß er mit Zögern nicht weiterkommen würde. Wenn er den falschen Unterbrecher betätigt hatte, so hatte er wenigstens die tröstliche Gewißheit, daß er keine Zeit mehr haben würde, es zu realisieren. Er berührte das Kabel: Er hatte den richtigen Unterbrecher erwischt. Das Kabel war zwar eiskalt, aber glücklicherweise nicht vereist. Es wehte zwar ein Wind, aber er war leicht und nicht störend. Die Kälte war fast betäubend, aber das war kein Faktor, der ihm Sorgen zu machen brauchte – wenn er diese schier unendlichen dreihundert Meter hinter sich gebracht hatte, war er auf jeden Fall in Schweiß gebadet. Er gab sich einen Ruck, balancierte mit seiner Stange in der Hand vorsichtig den Draht entlang, mit dem der Isolator verankert war, und trat schließlich auf das Kabel.
    Roebuck stieg ein paar Stufen hinunter, reckte den Hals und schaute vorsichtig nach beiden Seiten. Als er niemanden sah, stieg er auch die letzten Stufen hinunter und entfernte sich in gemächlichem Tempo vom Zug. Nicht, daß er den Zug nicht hätte verlassen können; wann immer er dazu Lust hatte, und auch die Tatsache, daß er zwei Säcke über der Schulter hatte, hätte kein Befremden erregt, denn in solchen Säcken wurden normalerweise die Seile und Metallnägel transportiert, die er in seiner Nummer als Ziele benutzte. Was aber vielleicht doch einige Neugier ausgelöst hätte, war die Tatsache, daß er an einer Stelle aus dem Zug stieg, die vier Waggons von seinem eigenen Quartier entfernt lag.
    Er stieg in den kleinen Skoda, in dem er gekommen war, und parkte ihn in hundert Meter Entfernung von den ›Lubylan‹. Von dort aus ging er

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