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Circus

Circus

Titel: Circus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alistair MacLean
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seiner prekären Lage konnte selbst ein Windchen mit nur fünf Meilen Stundengeschwindigkeit den Tod bedeuten. Und selbst dieser schwache Wind bewirkte, daß das Kabel in höchst beunruhigender Weise hin- und herschwang. Wenn auch nur eine Spur von Eis darauf gewesen wäre, hätte er es nie geschafft. Aber so schaffte er es.
    Das Kabel lief über einen riesigen Isolator, der von zwei Drähten gehalten wurde, die in der Mauer verankert waren. Hinter dem ersten Isolator schlängelte sich das Kabel durch einen weiteren Isolator und verschwand schließlich im Boden eines mit großen Schaltern versehenen Unterbrechers, der durch eine Plastikhaube geschützt war. Diesen Unterbrecher auszuschalten würde bedeuten, die Gefahr auszuschalten, daß jemand den Einbruch in das Kraftwerk entdeckte und den Stromkreislauf wieder in Gang setzte, den Bruno bereits unterbrochen hatte. Obwohl dieser Schalter sicherlich ausgezeichnet geölt war, würde er ganz bestimmt beim Loslassen genügend Lärm machen, um den Wachtposten auf dem südöstlichen Turm aufmerksam werden zu lassen, der nur drei Meter entfernt war. Bruno beschloß, vorläufig die Finger von dem Schalter zu lassen.
    Er schraubte seine Balancierstange auseinander, band die einzelnen Teile wieder zu einem Bündel zusammen und hängte es an eine Drahtverstrebung, obwohl er nicht damit rechnete, es noch einmal zu brauchen. Über die unter Strom stehenden Stahlspitzen zu kommen, würde kein Problem darstellen: Sie waren nur etwa einen Meter über seinem Kopf, und er mußte sich lediglich auf dem Unterbrecher hochziehen und einfach einen Schritt machen. Aber dieser Schritt brachte auch eine große Gefahr mit sich, denn er würde zum erstenmal nicht die geringste Deckung haben.
    Er warf eine Seilschlinge über eine Stahlspitze, zog sich hoch, bis er auf dem Unterbrecher stand, wodurch sein Kopf sich mindestens einen Meter zwanzig über dem oberen Rand des Stahlzaunes befand. Die massive, oben abgeflachte Mauer war mindestens sechzig Zentimeter dick. Jeder Fünfjährige, der nicht unter Schwindelanfällen litt, hätte ohne weiteres auf der Mauer herumlaufen können. Aber auch er wäre schutzlos dem in unregelmäßigen Abständen aufflammenden Scheinwerferlicht ausgesetzt gewesen, das immer wieder über den oberen Rand der Mauer strich. Und genau in dem Augenblick, als er den entscheidenden Schritt über den Zaun machen wollte, flammte wieder ein Suchscheinwerfer auf. Das Licht kam vom Nordostturm und strich über den oberen Rand des östlichen Teils der Mauer, auf den er gerade hinüber gewollt hatte. Bruno reagierte sofort: Er duckte sich unter den Rand der Mauer und hielt sich an der Seilschlinge fest, um nicht nach draußen zu stürzen. Es schien sehr unwahrscheinlich, daß dem Wachtposten ein so winziger Gegenstand wie die Seilschlaufe auffallen würde, die um die eine Stahlspitze geschlungen war, und sie fiel ihm auch wirklich nicht auf. Der Lichtkegel des Suchscheinwerfers drehte sich um neunzig Grad, glitt schnell über den Nordteil der Mauer und erlosch. Fünf Sekunden später stand Bruno auf der Mauer.
    Anderthalb Meter unter ihm befand sich das Dach des Gefängnisblocks, und dort mußte der Zugang zum Wachtturm liegen. Bruno ließ sich auf das Dach hinunter und kroch auf den Turm zu.
    Acht Holzstufen führten zu der Plattform des Turmes hinauf. Als Bruno hochschaute, flammte im Turm ein Streichholz auf, und er konnte für einen Augenblick eine Gestalt mit einer Pelzmütze und einem gefütterten Mantel mit hochgeschlagenem Kragen sehen, die sich eine Zigarette anzündete. Bruno drückte auf den Ladeknopf seines Gaskugelschreibers, stieg lautlos die Stufen hinauf und legte die linke Hand an die Tür. Er wartete, bis der Posten einen tiefen Zug aus seiner Zigarette nahm, dann öffnete er die Tür ohne übermäßige Eile, zielte mit seinem Spezialschreiber auf den roten Schimmer und drückte auf den Clip. Fünf Minuten später hatte er das Gefängnisdach überquert und den Nordostturm erreicht. Auch hier hielt er sich nicht länger auf, als bei dem anderen Turm. Nachdem er auch diese Wache geknebelt und gefesselt hatte, ging er auf dem Ostteil der Mauer entlang, ließ sich auf den Unterbrecher hinunter und drückte vorsichtig den Hebel herunter. Das Geräusch wäre nur in seiner allernächsten Nähe zu hören gewesen, denn wie er schon vermutet hatte, war der Schalter ausgesprochen gut geölt. Danach kehrte er zum südöstlichen Turm zurück, spähte über die südliche

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