City of Death - Blutiges Erbe (German Edition)
empfindest.« Er richtete sich auf und kam langsam näher.
Ich wich so weit zurück, wie es das Bett zuließ.
»Du hast Angst vor deinen Gefühlen, Angst zugeben zu müssen , dass …«
»Es gibt nichts zuzugeben, Will. Gar nichts«, unterbrach ich ihn barsch. »Ich empfinde nichts für dich und ich will, dass du mich verdammt nochmal in Ruhe lässt!« Der letzte Teil kam lauter als beabsichtigt, doch ich fühlte mich in die Ecke gedrängt.
Will erstarrte und wich zurück.
Ich hielt den Atem an. War ich zu weit gegangen? Würde er ausrasten? Sein Gesicht verwandelte sich in eine starre kalte Maske, und einen Moment war ich mir sicher, dass er sich auf mich stürzen würde. Ich saß völlig reglos da und starrte ihn wachsam an. Mein Herz schlug so heftig, dass es schon fast schmerzte. Wills Blick ging zu meinem Hals, und ich wusste was er sah: meine Pulsschlagader, die wie verrückt auf und ab hüpfte.
Er stieß ein bitteres Schnauben aus. »Du hast Angst vor mir, aber das brauchst du nicht, vor mir ganz sicher nicht.« Er schloss einen Moment die Augen, dann öffnete er sie und fragte: »Also, weswegen bist du hier? Dein Blut wird mich nicht lange wach halten, und noch einmal willst du bestimmt nicht von mir gebissen werden, oder?« Seine Stimme klang munter und gleichzeitig angespannt, als versuche er sich, zu beherrschen.
Ich hätte es ihm abgekauft, wäre da nicht sein pulsierendes Energiefeld gewesen, das seine Worte Lügen strafte. Ich atmete einmal ausgiebig ein, um mich zu beruhigen und erzählte ihm alles.
»Das gibt‘s doch nicht«, knurrte er und fuhr sich mit der Hand durchs Haar. »Wie spät ist es?«
Ich schaute auf meine Armbanduhr. »Erst kurz vor fünf.«
Er fluchte. »Ich kann hier nicht weg, du musst die Ranger persönlich warnen.«
»Etwa alle?«, fragte ich und wandte den Blick ab, als er vom Bett aufstand.
Er zog sich eine Jogginghose über und ging in den Nebenraum. Seine Schritte waren langsam und schwerfällig. Ich erhob mich und wartete im Stehen, denn nach dem unangenehmen Wortwechsel erschien es mir irgendwie unangemessen, auf seinem Bett zu sitzen. Ich hörte Will im Nebenzimmer herumkramen und fragte mich, wie ich die Ranger rechtzeitig warnen sollte. Sie lebten in ganz Berlin verteilt, und ihnen allen die Situation zu erklären, würde Stunden dauern. Als Will wiederkam, sagte ich: »Ich weiß nicht, ob das wirklich so eine gute Idee ist. Die Wachen der Ranger kennen mich doch gar nicht. Ich glaube nicht, dass sie mich überhaupt durchlassen werden.«
Er kam auf mich zu und hielt mir einen Siegelring vor die Nase. Der Ring selbst war silbern, das Siegel rubinrot – es funkelte im Schein des Deckenlichts. Ich sah mir die Gravuren an, konnte sie aber nicht deuten. Es schienen Schriften und Zeichnungen in einem zu sein.
»Das ist das Siegel des Blutes. Zeige es vor , und die Ranger werden dich anhören.«
Ich nahm den Siegelring an mich und steckte ihn mir auf den Finger. »Was ist mit den menschlichen Wachen?«
»Sie wissen Bescheid. Das Erste, was eine Wache lernt, ist die Bedeutung des Siegels.« Er drängte mich in Richtung Treppe.
»Und was genau bedeutet es?«
»Dass uns jemand aus unseren Reihen verraten hat und wir alle in großer Gefahr sind.«
»Unseren Reihen?« Ich wollte , dass er näher ins Detail ging, doch er schob mich förmlich die Treppe hoch.
»Beeil dich, Cherry, du hast nicht viel Zeit.»
Ich schlüpfte in meine Schuhe, zog die Jacke über und griff nach meinen Taschen.
Will ging zur Kommode, nahm Zettel und Stift und schrieb eine Liste. »Das sind die Adressen der restlichen elf Ranger.«
Ich nahm das Blatt an mich. »Soll ich bei Andre anfangen?«
Er schüttelte den Kopf. »Um Andre kümmere ich mich. Ich werde Micha zu ihm schicken, er kennt ihn.« Als er die Tür öffnen wollte, fiel mir etwas ein.
»Kannst du mir Geld leihen? Durch ganz Berlin zu fahren , wird mich einige Hundert Euro kosten, und so viel hab ich nicht dabei.«
»Bist du nicht mit dem Auto hier?«
»Ich hab gerade meine Tasche gepackt, als mich die Ermittler überraschten. Ich musste meinen Wagen stehen lassen, sonst hätten sie mich erwischt.«
Er schaute auf meinen Rucksack. »Bei wem wolltest du wohnen?«
»Bei Stacy. Sie … Ich hab noch ein paar Sachen bei ihr.« Ich konnte den Ausdruck in seinen Augen nicht deuten und wandte den Blick ab. Bestimmt hielt er mich für eine feige, undankbare Kuh. Da bot er mir an bei sich zu wohnen, und ich flüchtete zu Stacy.
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