City of Lost Souls
der wogenden Körper und dem Geruch von Schweiß, Zigarettenqualm und Bier.
Clary wollte sich gerade umdrehen und Jace fragen, ob er tanzen wolle, als sie eine Hand in ihrem Rücken spürte – Sebastian. Sofort verspannte sich ihr gesamter Körper, doch sie zwang sich, nicht wegzuzucken.
»Geh weiter«, raunte er ihr ins Ohr. »Ich hab nicht vor, hier oben beim gemeinen Volk zu bleiben.«
Seine Hand drückte wie eine Eisenfaust gegen Clarys Wirbelsäule. Zähneknirschend ließ sie sich von Sebastian durch die dicht gedrängten Tanzenden dirigieren. Die Menge schien sich zu teilen, um sie durchzulassen. Der ein oder andere Clubbesucher schaute erst genervt auf, warf dann einen Blick auf Sebastian und zog sich hastig zurück. Die Hitze wurde immer unerträglicher und Clary schnappte fast nach Luft, als sie schließlich die andere Seite des Raums erreichten. Dort erwartete sie ein Durchgang, den Clary zuvor nicht bemerkt hatte. Abgewetzte Steinstufen führten spindelförmig nach unten und verschwanden in der Dunkelheit.
Fragend schaute Clary sich zu Sebastian um, der in diesem Moment die Hand von ihrem Rücken nahm. Um ihn herum blitzte ein helles Licht auf.
Jace hatte seinen Elbenstein hervorgeholt und grinste Clary an, sein Gesicht war eine Mischung aus kantigen Flächen und Schatten. »›Der Abstieg ist leicht‹«, bemerkte er.
Clary schauderte. Sie kannte das vollständige Zitat: Der Abstieg zur Hölle ist leicht. »Kommt schon«, drängte Sebastian, zeigte mit dem Kopf auf den Durchgang und sprang die Treppe hinunter, leichtfüßig und mit sicherem Schritt; die abgetretenen, rutschigen Stufen schienen ihn nicht zu beunruhigen.
Dagegen folgte Clary ihm deutlich langsamer. Mit jedem Meter wurde es kühler und das Dröhnen der wummernden Musik ließ allmählich nach. Sie konnte ihren Atem hören und sah ihren Schatten, der verzerrt und dürr gegen die Wand geworfen wurde.
Noch bevor sie die letzten Stufen erreichten, hörte Clary neue Musik – mit einem noch härteren Rhythmus als im Club über ihnen: Sie schoss ihr in die Ohren und ins Blut und bereitete ihr Schwindelgefühle. Clary war beinahe schlecht, als sie endlich unten ankamen und ein gewaltiges Gewölbe betraten, das ihr den Atem verschlug.
Der gesamte Raum war in Stein gehauen: die Mauern uneben und höckrig, der Boden unter Clarys Füßen glatt und abgenutzt. Am anderen Ende des Gewölbekellers erhob sich eine riesige Engelsstatue, deren Haupt in den Schatten der hohen Decke verschwand; von ihren Schwingen hingen Ketten mit schweren Granat-Schmucksteinen herab, die wie Blutstropfen aussahen. Der Raum wurde von kleinen knallbunten Lichtexplosionen erhellt, wie rote Kugelblitze, die nicht mit den künstlichen Spotlights im Erdgeschoss zu vergleichen waren – diese hier sprühten wie Feuerwerk. Und jedes Mal, wenn eine der runden Kugeln platzte, rieselten flirrende Glitterteilchen auf die tanzende Menge herab. Gewaltige Springbrunnen spuckten schäumende Wasserfontänen in runde Marmorbecken, auf deren Wasseroberfläche schwarze Rosenblätter trieben. Und von der Decke hing an einer langen goldenen Kette ein gewaltiger Kronleuchter, der direkt über den Köpfen der tanzenden Menge baumelte – ein Kronleuchter, der vollständig aus Knochen gefertigt war.
Der Lüster wirkte kunstvoll und schaurig zugleich: Sein Korpus bestand aus miteinander verbundenen Wirbelsäulen; Oberschenkelknochen und Schienbeine hingen als Dekorationen von den Armen des Leuchters, an deren Ende jeweils ein menschlicher Schädel mit einer dicken Stumpenkerze saß. Schwarzes Wachs tropfte wie Dämonenblut auf die Menge herab, doch niemand schien das zu kümmern. Selbstvergessen drehten und wirbelten die Tanzenden um sich selbst – und keiner von ihnen war menschlich.
»Werwölfe und Vampire«, beantwortete Sebastian Clarys unausgesprochene Frage. »In Prag sind sie Verbündete. Dies ist der Ort, an dem sie … sich entspannen.« Eine heiße Brise fegte wie ein Wüstenwind durch den Raum, hob Sebastians silberblonde Haare an und wehte sie ihm übers Gesicht, sodass der Ausdruck in seinen Augen nicht zu erkennen war.
Clary schälte sich aus ihrer Jacke und drückte sie gegen ihre Brust, fast wie einen Schild. Mit großen Augen schaute sie sich um. Sie konnte die Un-Menschlichkeit der anderen Besucher spüren – die Vampire mit ihrer Blässe, ihrer Geschmeidigkeit und gelangweilten Eleganz und die Werwölfe, die animalische Kraft und Schnelligkeit ausstrahlten. Die meisten
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