City of Lost Souls
Jordan. »Sie macht sich wahrscheinlich Sorgen.«
Simon schüttelte den Kopf. »Sie kommt in ein paar Wochen sowieso zu Thanksgiving nach Hause. Bis dahin will ich sie nicht mit reinziehen, in das, was zwischen mir und meiner Mutter läuft.«
»Aber sie hängt da schon mit drin. Sie ist Teil deiner Familie«, entgegnete Maia. »Außerdem: Das, was mit deiner Mutter los ist, gehört jetzt zu deinem Leben.«
»In dem Fall will ich Rebecca lieber ganz aus meinem Leben raushalten.« Simon wusste, dass er unvernünftig reagierte, konnte aber nichts dagegen machen. Seine Schwester war … besonders. Anders. Ein Teil seines Lebens, der bis jetzt von all diesem Irrsinn unberührt geblieben war. Möglicherweise der einzige Teil.
Genervt riss Maia die Hände hoch und wandte sich an Jordan: »Sag doch auch mal was! Schließlich bist du doch sein Praetor -Beistand.«
»Ach, kommt schon«, protestierte Simon, bevor Jordan den Mund aufmachen konnte. »Hat einer von euch beiden vielleicht noch Kontakt zu seinen Eltern? Oder anderen Familienmitgliedern?«
Maia und Jordan tauschten rasch einen Blick und dann meinte Jordan gedehnt: »Nein, aber wir hatten auch vorher schon keine gute Beziehung zu ihnen … «
»Womit dann alles gesagt wäre«, erwiderte Simon. »Wir sind alle Waisen. Waisen im Sturm.«
»Du kannst deine Schwester nicht einfach ignorieren«, beharrte Maia.
»Und ob ich das kann.«
»Und was ist, wenn Rebecca heimkommt und euer Haus aussieht wie das Filmset von Der Exorzist ? Und deine Mom nicht erklären kann, wo du steckst?« Jordan beugte sich vor, die Hände auf die Knie gestützt. »Dann wird deine Schwester die Polizei rufen und deine Mutter wird in einer Nervenklinik landen.«
»Ich glaub einfach nicht, dass ich schon dazu bereit bin, ihre Stimme zu hören«, widersprach Simon, obwohl er wusste, dass er die Diskussion verloren hatte. »Auf jeden Fall muss ich jetzt dringend weg, aber ich verspreche, ihr eine SMS zu schicken.«
»Okay«, sagte Jordan, schaute dabei jedoch nicht Simon, sondern Maia an, als hoffte er, sie würde seine Fortschritte mit Simon bemerken und wohlwollend nicken.
Simon fragte sich, ob Jordan und Maia sich während der vergangenen zwei Wochen, in denen er kaum in der Wohnung gewesen war, überhaupt gesehen hatten. Aber wenn er an die angespannte Stimmung dachte, die bei seiner Rückkehr im Wohnzimmer geherrscht hatte, tippte er auf Nein; allerdings konnte man sich bei den beiden nie sicher sein.
»Das ist doch schon mal ein Anfang«, fügte Jordan hinzu.
Der goldfarbene Aufzug setzte sich ratternd in Bewegung und hielt im zweiten Geschoss des Instituts. Clary holte tief Luft und betrat den Flur. Genau wie Alec und Isabelle ihr versichert hatten, war das Gebäude still und menschenleer. Von draußen drang nur das leise Rauschen des Verkehrs auf der York Avenue an ihr Ohr. Clary stellte sich vor, sie könnte hören, wie die im Sonnenlicht tanzenden Staubpartikel gegeneinanderprallten. Entlang der Wand befand sich eine Reihe Kleiderhaken, an denen die Bewohner des Instituts bei ihrer Rückkehr ihre Mäntel aufhängen konnten. Eine von Jace’ schwarzen Jacken hing noch immer dort, die Ärmel baumelten gespenstisch leer herab.
Clary schauderte und machte sich dann auf den Weg zur Bibliothek. Dabei erinnerte sie sich, wie Jace sie zum ersten Mal durch diese Gänge geführt und ihr mit unbekümmerter Stimme von den Schattenjägern und von Idris erzählt hatte, einer Welt, von deren Existenz sie nicht einmal geahnt hatte. Während er redete, hatte sie ihn heimlich beobachtet – zumindest hatte sie das damals gedacht, aber heute wusste sie, dass Jace nichts entging. Sie hatte das Licht gesehen, das von seinen hellen Haaren reflektierte, die schnellen Bewegungen seiner schlanken Hände, das Spiel seiner Muskeln, während er mit den Armen gestikulierte.
Ohne auf einen anderen Nephilim zu treffen, erreichte sie schließlich die Bibliothek und stieß die Tür auf. Dieser Raum jagte ihr immer noch einen Schauer über den Rücken ; daran hatte sich seit ihrem ersten Besuch nichts geändert. Der kreisförmige, innerhalb eines Turms errichtete Saal besaß eine Empore, die sich direkt oberhalb der hohen Bücherregale an der Wand entlangzog. In der Raummitte stand der massive Schreibtisch, den Clary noch immer mit Hodge in Verbindung brachte: eine gewaltige Tischplatte – aus einem Eichenholzblock geschnitzt – , die auf den Rücken zweier kniender Engel ruhte. Fast erwartete Clary, dass
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