Claifex: Nefilim KI
Mein Leben lang war ich fortwährend auf der Flucht gewesen. Ich hatte die Bürokratie der Claifex, dieses übermächtigen Staatsapparates, als etwas angenommen, das unabänderlich über mein Leben und seinen Verlauf in der Gesellschaft bestimmte. Und das nur, weil sie bereits da war, als ich geboren wurde und womöglich immer noch da sein würde, wenn mein langes menschliches Leben ein Ende fand. Demi hatte mir jedoch die Aussicht darauf gegeben, der Claifex ein Ende zu bereiten und meinem Leben eine neue Perspektive zu geben. Eine Perspektive, die ich bisher nicht kannte, weil die Claifex es den Menschen verbot, an einem Ort ihrer Wahl Fuß zu fassen. Genau genommen verbot sie uns jede Form von Existenz. Ich war neugierig darauf, wie es sein mochte, eine Heimatwelt zu haben, auf der man rechtmäßig und ohne Verfolgung befürchten zu müssen, wohnen durfte. Womöglich sogar mit Schwimmbädern und Delphin-Robotern. Die Erde war tot und unbewohnbar geworden, doch der Weltraum war weiträumig und mit Hilfe von Ikarus‘ Helm konnte ich unzählige Welten entdecken, die nur darauf warteten, besiedelt zu werden. Aber wollte ich das? Für die Menschheit hegte ich keine große Liebe, fand man doch mindestens genauso viel Abschaum in ihr, wie unter den restlichen Spezies der Claifex. Womöglich hatte ich nur das grundlegende Bedürfnis, mein Leben unter anderen Voraussetzungen führen zu können. Eine Heimatwelt brauchte ich dazu nicht. Aber etwas anderes.
Freiheit.
Im Moment war ich dazu gezwungen, meine Aktivitäten im Zwielicht dunkler Hinterzimmer gegenüber meinen Kunden zu rechtfertigen. Dabei dachte ich schon lange, dass das Entdecken und Studieren der Hinterlassenschaften alter Kulturen in sich selbst ausreichend Berechtigung für diese Tätigkeit enthielt. Doch die Claifex setzte auch hier, wie in vielen anderen Forschungsbereichen Grenzen, aus der Furcht, die Ergebnisse dieser Forschungen könnten ihrer Vorherrschaft ein Ende setzen. Niemand wusste schließlich, wann die Claifex gegründet wurde und wie es zur Verbindung all dieser bewohnten Welten kam, die über unzählige Galaxien verteilt waren und keine räumliche Nähe zu einander hatten. Ich stellte fest, dass ich meinen Mangel an Freiheit bisher nur deswegen akzeptiert hatte, weil ich ihn für eine unabänderliche Konstante in meinem Leben hielt. Doch mein Horizont hatte sich erweitert. Ich hatte hier und jetzt die Möglichkeit, etwas an den Zuständen zu ändern, die mich so sehr davon abhielten, die Freiheit zu haben, die mir zustand. Ich war bereit für diese Freiheit zu kämpfen und freute mich darüber, Klarheit erlangt zu haben über etwas, das meine weitere Handlungsweise bestimmen sollte. Wenn die Claifex so verzweifelt nach den konstruktiven Geheimnissen der Nefilim strebte, dann war es mir eine Freude, ihr diese vorzuenthalten. Womöglich hatten Sargon und die Bruderschaft ja recht und das Ende der Claifex zeichnete sich bereits ab. Wenn ich meinen Teil dazu beitragen konnte, dann wollte ich das auch tun. Doch der Bruderschaft konnte ich in diesem Zusammenhang auch nicht vertrauen. Immerhin schien sie in sich uneins zu sein. Möglicherweise war es gut, Verbündete im Kampf gegen die Claifex zu haben. Dennoch beschloss ich, Vorsicht walten zu lassen. Ich atmete erleichtert auf und hatte das Gefühl, etwas klarer zu sehen, als zuvor. Mein Auftrag war nicht nur gut bezahlt, sondern hatte tatsächlich einen guten Zweck und änderte meine Perspektive.
Ich startete erneut den Gleiter und folgte dem Navigationssystem, von einer ungewöhnlichen Energie beseelt, die mir ein Lächeln auf die Lippen trieb. Mein Lächeln schwand zunehmend, als ich an die möglichen Verluste dachte, die mir noch bevorstehen mochten. Susannah kam mir dabei unweigerlich in den Sinn und ich rief sie, einem Impuls folgend, über Funk an, erhielt aber aufgrund der vielen metallenen Decks zwischen unseren beiden Funkgeräten nur Störgeräusche. Ich atmete tief durch und zwang mich zur Konzentration auf die Aufgabe, die ich mir selbst gestellt hatte. Ich wollte sehen, ob sich etwas Brauchbares an Bord der Musashi finden ließe, das die zahlreichen Probleme, die uns noch auf unserer Suche nach den Konstruktionsplänen bevorstanden, leichter lösbar machte. Was genau das sein mochte, wusste ich auch nicht, aber da verließ ich mich auf mein Glück und meine Spürnase. Nach ein paar Abzweigungen entdeckte ich einen weiteren Schacht, durch den ich in die Tiefe hinabgleiten konnte.
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