Clancy, Tom
er sie stehen gelassen hatte. Nach der Explosion der Blendgranate
hatte er erkannt, dass die Kacke am Dampfen war, und nun versuchte er zu
fliehen, dachte Driscoll. Er zog das Visier ein Stück vor, vielleicht würde er
ihm einen Ausgang zeigen ... Da, ein Alkoven in der Felswand, vielleicht
anderthalb Meter breit. Er richtete das Visier wieder zurück auf den Gomer und
sah, dass der eine Granate in der rechten Hand hielt. Es war eine
40-Millimeter-Gewehrgranate für ein RPG-7, die von den Einheimischen gern auch
als Handgranaten benutzt wurden.
Nicht so schnell, Kumpel, dachte Driscoll und zielte mit dem
M4 auf das Ohr des Mannes. Der schwang in diesem Moment den Arm für einen
Rollwurf zurück. Driscolls 5,56-mm-Kugel drang genau über seinem Ohr und direkt
hinter dem Auge ein. Der Kopf wurde zur Seite geschleudert, und er brach
zusammen, aber die Granate flog schon auf den Alkoven zu.
»Granate!«,
schrie Driscoll und warf sich zu Boden.
Rumms!
Driscoll
sah auf und blickte sich um. »Abzählen!«
»Okay«,
antwortete Tait, unmittelbar gefolgt von Young und den anderen.
Die
Granate war von der Wand zurückgeprallt und wieder aus dem Alkoven
hinausgerollt, vor dem sie einen Krater von der Größe eines halben Medizinballs
in den Boden gerissen hatte.
Driscoll
nahm das Nachtsichtgerät ab, schaltete seine Taschenlampe ein und leuchtete
damit umher. Das hier war der Kommandobereich der Höhle. Eine Menge Bücherregale,
sogar ein Teppich auf dem Höhlenboden. Die meisten Afghanen, auf die sie
trafen, waren halbe Analphabeten, aber hier gab es Bücher und Zeitschriften,
ein paar sogar auf Englisch. Auf einem Regalbrett mehrere schön in Leder
gebundene Bände. Besonders einer ... Grünes Leder mit Goldprägung. Driscoll
schlug ihn auf. Ein kostbares Werk — nicht gedruckt, sondern eine echte
Handschrift, von einem Schreiber vor vielen Jahren in vielfarbigen Tinten
kalligrafiert. Dieses Buch war alt, wirklich alt. Anscheinend auf Arabisch,
handgeschrieben und mit Blattgold geschmückt. Das musste ein Exemplar des
Korans sein, und sein Alter oder Wert waren kaum zu schätzen. Aber Wert hatte er.
Driscoll nahm ihn mit. Irgendjemand vom Geheimdienst würde sich dafür
interessieren. In Kabul gab es einige Saudis, hohe Offiziere, als Berater für
die Special-Operations-Leute und die Militärgeheimdienste.
»Okay,
Peterson, wir sind fertig. Ruf an und lass uns abholen«, funkte Driscoll an
seinen Kommunikationsmann. »Ziel gesichert. Neun Tangos erledigt, zwei Gefangene.
Eigene Verluste: keine.«
»Aber
nichts unter dem Weihnachtsbaum, Santa«, meinte Sergeant Young ruhig.
»Verdammt, das hier hätte die richtige Höhle sein können. Ich hatte ein gutes
Gefühl.« Der nächste blinde Alarm für die Special Operations. Davon hatten
sie mehr als genug, aber so war das eben bei den Sondereinsatzkommandos.
»Ich auch.
Wie heißt du, Gomer?«, fragte Driscoll Taits Gefangenen. Keine Antwort. Die
Blendgranate hatte diesem Halunken tatsächlich die Gyroskope ordentlich
durcheinandergebracht. Er verstand noch nicht, dass es viel schlimmer hätte
kommen können, sehr viel schlimmer. Andererseits, wenn ihn die Verhörspezialisten
erst einmal in der Mache hatten ...
»Okay,
Jungs, räumen wir die Bude aus. Sucht besonders nach Computern und
Elektronikzeug. Nehmt es auseinander. Wenn etwas interessant aussieht, nehmt es
mit. Holt jemanden, der unseren Freund hier einpackt.«
Für diese
Mission stand ein Chinook in Alarmbereitschaft, und in einer Stunde konnte der
Mann schon an Bord des Hubschraubers sein. Er wäre jetzt verdammt gern im
Unteroffizierskasino von Fort Benning gewesen und hätte ein Glas Sam Adams
getrunken, aber das musste wohl noch ein paar Tage warten.
Während
der Rest seines Teams eine Wache vor dem Höhleneingang postierte, durchsuchten
Young und Tait den Eingangstunnel und fanden ein paar nette Sachen, Landkarten
und Ähnliches, aber nichts, was nach einem Jackpot aussah. Das war aber immer
so bei diesem Zeug. Die Leute vom Geheimdienst mochten Weicheier sein, aber sie
konnten aus einer Walnuss einen Nusskuchen machen. Ein Fetzen Papier, ein
handgeschriebener Koran, eine Strichzeichnung in lila Buntstift — die Geheimdienstler
zauberten manchmal unheimlich viel aus so etwas, deshalb nahm Driscoll
möglichst alles mit. Ihre Zielperson war nicht hier gewesen, und das war eine
verdammte Schande, aber vielleicht führte das Zeug, das die Gomer
zurückgelassen hatten, zu etwas anderem, das dann wieder
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