Clancy, Tom
nach seiner Pensionierung in Pakistan geblieben war.
Hoffte ein Teil von ihm immer noch, Farishta irgendwo lebendig wiederzufinden?
Ihr Name bedeutete schließlich »Engel«.
Eine Schnapsidee, dachte Embling jetzt.
Eine Schnapsidee,
genau wie die Hoffnung auf ein stabiles Pakistan.
Elftausend Kilometer entfernt in Silver
Spring, Maryland, dachte Mary Pat Foley bei einem ganz ähnlichen Getränk - der
einen Tasse einer aufgewärmten und gesalzenen Mischung aus richtigem und koffeinfreiem
Kaffee, die sie sich pro Tag gönnte - über
etwas ganz Ähnliches nach, jedoch über eine ganz andere, bitter entbehrte
Person: Über den Emir und jene beiden Fragen, mit denen sich die
US-Geheimdienste nun seit fast zehn Jahren herumschlugen - wo er eigentlich
steckte und wie man den Bastard zu fassen bekam. Mit wenigen und
vorübergehenden Pausen und obwohl er der Staatsfeind Nummer eins auf der Liste
des Weißen Hauses war - eine Einstufung, der Mary Pat nicht recht zustimmen
konnte. Natürlich musste man den Typ einfangen oder, noch besser, ein für alle
Mal umbringen und seine Asche in alle Winde zerstreuen, aber den Emir zu töten
würde Amerikas Terrorismusproblem nicht lösen. Es gab sogar Diskussionen
darüber, wie viele wichtige Geheimnisse der Emir überhaupt kannte; Mary Pat und
ihr Ehemann Ed, inzwischen pensioniert, neigten eher zu der Ansicht, dass es
gar nicht so viele waren. Der Emir wusste, dass er gejagt wurde, und er war
zwar ein Schurke Klasse A und Massenmörder, aber auf keinen Fall dumm genug,
sich Kenntnisse anzueignen, die er nicht haben musste; inzwischen hatten auch
die Terroristen entdeckt, dass sie delegieren mussten. Wäre der Emir ein
anerkanntes Staatsoberhaupt und säße irgendwo in einem Palast, dann würde er
sicher regelmäßig auf den aktuellen Stand gebracht, aber er war keins - jedenfalls
glaubte das niemand. Soweit die CIA wusste, hatte er sich irgendwo im öden
Bergland an der pakistanisch-afghanischen Grenze verkrochen. Aber das war
natürlich die Suche nach der sprichwörtlichen Nadel im Heuhaufen, nicht wahr?
Andererseits wusste man ja nie. Eines Tages würde jemand Glück haben und ihn
finden, davon war sie überzeugt. Die Frage war, ob sie ihn lebend oder nicht
bekommen würden. Es war ihr eigentlich egal, aber die Vorstellung, dem Bastard
gegenüberzutreten und ihm in die Augen zu schauen, hatte schon einen gewissen
Reiz.
»Liebling,
bin wieder zu Hause ...«, rief Ed Foley fröhlich und kam in Jogginghose und
T-Shirt die Treppe hinunter in die Küche.
Seit
seiner Pensionierung bestand Eds täglicher Weg zur Arbeit aus etwa zehn Metern
und einem halben Dutzend Treppenstufen bis in sein Arbeitszimmer, wo er an
einem Sachbuch über die Geschichte der amerikanischen Geheimdienste vom
Unabhängigkeitskrieg bis Afghanistan schrieb. Das Kapitel, das er gerade in Arbeit
hatte - ein verdammt gutes, auch wenn er das selbst sagte -, handelte von John
Honeyman, einem irischstämmigen Weber, wahrscheinlich der am wenigsten
bekannte Spion seiner Zeit. Kein Geringerer als George Washington hatte ihn
damit beauftragt, die Ränge der gefürchteten hessischen Soldaten Lord Howes zu
infiltrieren, die rings um Trenton stationiert waren. Honeyman tarnte sich als
Viehhändler, schlüpfte durch die Linien, kundschaftete Schlachtordnung und
Positionen dieser Truppen aus und schlich sich wieder zurück. Damit gab er
Washington den Wissensvorsprung, mit dem dieser den Feind aus seinen
Stellungen vertreiben konnte. Für Ed war dieses Stückchen vergessener
Geschichte ein Traumkapitel. Es war schön und gut, über Wild Bill Donovan, die
Schweinebucht oder den Eisernen Vorhang zu schreiben, aber inzwischen waren
diese Standardstorys der Spionagegeschichte doch ziemlich ausgelutscht.
Ed hatte
sich seine Pension zweifellos redlich verdient, genau wie Mary Pat, aber nur
eine Handvoll von Insidern aus Langley - darunter auch Jack Ryan sr. - würde je
erfahren, mit welchen Leistungen die Foleys ihrem Land gedient und ihm Opfer
gebracht hatten. Ed, Ire von Geburt, hatte an der Fordham University studiert
und eine Laufbahn als Journalist begonnen. Er arbeitete als fähiger, aber
unauffälliger Reporter für die New York Times, bevor er in die Welt der bösen Jungs und der Spione abrutschte. Was
Mary Pat anging - falls je eine Frau für die Geheimdienstarbeit geboren war,
dann sie. Sie war die Enkelin des Reitlehrers von Zar Nikolaus II. und Tochter
Oberst Wanja Borissowitsch Kaminskijs, der 1917 das Menetekel
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