Clara
war vielleicht ein Fehler gewesen. Aber
wieso ablehnen, was auf dem Präsentierteller serviert wurde? Und schließlich
war sie auch auf Wohltätigkeitsveranstaltungen aktiv. Sie besuchte diese Bälle.
Inmitten alter Schreckschrauben. Immer tapfer lächelnd. Sie wurde abrupt aus
diesen Überlegungen gerissen, als er weitersprach .
»Wie ich
sehe, haben Ihnen die Berichte, die Ihre Freunde von der Presse verfasst haben,
missfallen .« Er deutete auf die zusammengeknüllten
Artikel, die noch immer am Boden lagen. Clara blickte ihn herausfordernd an.
»Ich
verstehe den Sinn dieser Unterhaltung nicht. Sie sprechen einerseits in
Rätseln, klagen mich andererseits an. Sie nennen mir nicht einmal Ihren Namen.
Wie soll ich mit jemandem kommunizieren, den ich nicht benennen kann?
Vielleicht sollten wir einiges überdenken und ein anderes Mal mit diesem
Gespräch fortfahren .« Clara wusste um die Kühnheit
dieser Worte. Sie war schließlich nicht in der Position, irgendetwas zu
bestimmen. Was wäre, wenn er negativ darauf reagieren würde? Insgeheim schloss
sie das jedoch aus. Er hatte ein Bild von ihr, und sie wurde dem mit solchen
Aussagen nur gerecht. Sie ahnte, dass sie ihn dadurch sogar zufriedenstellte .
Er wollte die Stirn geboten haben. Nicht zu forsch. In kleinen Rationen. Hart
an der Grenze zur Provokation. Es war ein gefährliches Spiel mit dem Feuer.
Aber sie musste es riskieren. Er blickte sie überrascht, aber auch ein Stück
weit amüsiert an und erhob sich von seinem Sitz.
»Wie Sie
wünschen .« Er nickte ihr zum Abschied kurz, aber
würdevoll zu und begab sich zur Stahltür. Schon halb verschwunden, blieb er
kurz stehen und sprach Clara nochmals an, ohne ihr dabei ins Gesicht zu
blicken.
»Mein Name
ist Michael. Michael Gruber. Werden Sie sich das merken können ?« Die Tür fiel ins Schloss.
Kapitel 5 –
Alleine
1
Es war
Montagmorgen. Kein Zeitpunkt der Woche war noch trostloser. Ich brachte eben
eine fertig kommissionierte Ware mit dem Elektrostapler zum vorgesehenen
Abstellplatz. Das Licht in der Waidhofner Großmolkerei war grell. Steril. Tot. Unmenschlich. Die Schiebetür zur Laderampe
stand offen. Eisiger Wind drang herein. Machte die Arbeitsbedingungen im
Kühlbereich noch unerträglicher.
Ich war als
Lagerarbeiter beschäftigt. Bearbeitete die eingegangenen Bestellungen. Milch im
Zwölf-Liter-Karton, Joghurt, Sahne, Rahm im Zehner-Pack. Käsespezialitäten
aller Art. Eine Order jagte die andere. Ständig unter Zeitdruck. Die LKWs
mussten voll beladen werden. Und die Fahrer warteten. Wollten ihre Touren so
schnell wie möglich beginnen. Nach Wien, in den Süden, ins benachbarte
Tschechien. Wo immer die Kunden ihren Sitz hatten. Hauptsächlich Großhändler
und Supermarktketten. Ich lud die zuvor auf Normpaletten getürmten Waren in die
Fahrzeuge, warf die Lieferscheine in die Ablage und schnappte mir den nächsten
Auftrag. Wie ein Uhrwerk, das rastlos seine Runden drehte. Pausen, wenngleich
auch vertraglich vorgesehen, waren bei dem zu bewältigenden Pensum nicht drin.
Und neben
dem permanenten Zeitdruck pfuschte einem auch noch der Betriebsleiter laufend
ins Handwerk. Der Schwiegersohn des Chefs. Ständig kam er mit etwas Neuem an.
Ständig missfielen ihm die Arbeiten. Ständig wollte ich ihn an einer Wand
zermalmen. Tu dies, mach das. Geht das nicht schneller? Stets mit verschränkten
Händen. Wie ein Symbol. » Ich greife hier gar nichts an. Denn ich bin der
Boss. Und du höchstens ein armes Würstchen. « Ich hatte mir angewöhnt, ihn
weitgehend zu ignorieren. Führte zwar seine Befehle aus, jedoch mit einem
solchen Gleichmut, der ihn rasend machte. Er hatte mich auf dem Kieker. Aber
auch das war mir egal.
Ganz im
Gegensatz zu meinem unmittelbaren Arbeitskollegen. Der bekam seinen Kopf gar
nicht mehr aus dem Arsch unseres Vorgesetzten. Und intrigierte hinter meinem
Rücken gegen mich. Die Falschheit in Person. Ich konnte den angesetzten Dolch
bereits spüren. Der Umsatz war etwas gesunken, und der Ruf aus der Chefetage
nach Entlassungen wurde laut. Schließlich wollte dort keiner auf seinen fetten
Bonus verzichten.
Ich machte
meine Arbeit, zeigte dem unfähigen Betriebsleiter unterschwellig den Vogel und
wartete auf den Tag meines Rauswurfs. Es schien mir nicht wert, um eine solche
Stellung zu kämpfen. Auch nicht in diesen Zeiten. Und schon gar nicht auf die
Art, wie es einige Mitarbeiter praktizierten. Widerliche Würmer, die alles in
Kauf nahmen. Sich im Angesicht einiger
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